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DAS ZEICHEN DER MAGIE – Das Geekolaus-Abenteuer

Die GEEKOLAUS-Aktion ist dieses Jahr etwas besonderes. Wir vertreiben uns zusammen mit jedem Nerd, der Lust und Zeit hat, den Lockdown mit einer interaktiven Geschichte zum mitmachen!
Jeden Werktag vom 14. bis zum 21. Dezember werden wir auf unserem Youtube-Livestream ab 19.00 Uhr eine Fantasy-Geschichte vorlesen in der drei Helden ein spannendes Abenteuer erleben - und du als Zuschauer entscheidest jeden Tag, wie diese Helden handeln und die Geschichte vorantreiben sollen. Die Entscheidungen werden dabei in unserer Discord-Gruppe abgestimmt - denn jeder Charakter darf seine eigene Entscheidung treffen!
Wir freuen uns über jeden Nerd der mitmachen oder einfach nur zuhören möchte!

Und falls du eine Folge verpasst haben solltest, oder erfahren möchtest, was bisher passiert ist, dann schau dir auf unseren Youtube-Kanal die Aufzeichnung an, oder lies es hier nach:


Was bisher geschah...

KAPITEL 1

Das Erste, was ihr wahrnehmt, als ihr langsam zu euch kommt, ist das leise Rauschen von Wasser um euch herum. Ihr liegt auf weichem Grund, eure Augen geschlossen und ihr genießt die fast schon wohlige Wärme die euch durchdringt. Irgendetwas stimmt nicht. Für einen Moment habt ihr gehofft, in einem warmen Bett aufzuwachen. Doch dann spürt ihr wie die Schmerzen sich langsam und stetig in euren Körpern ausbreiten wie eine Flut, die nach der Ebbe zurückkehrt. Auch die Wärme weicht nach wenigen Herzschlägen und gibt Raum für eine derart durchdringende Kälte, dass ihr am ganzen Körper zu zittern beginnt. Mit brennenden Lungen fangt ihr an, Rauch, Blut und Salzwasser auszukeuchen. Erst nach mehreren Ansätzen gelingt es euch, richtig zu atmen und die Augen zu öffnen. Langsam blickt ihr euch um, während ihr euch so rasch aufsetzt, wie es die schmerzenden Glieder zulassen.

Ihr befindet euch an einem steinigen Strand inmitten zahlreichen Treibgutes. Die kleine Bucht ist von hohen, steilen Felswänden eingerahmt, der Blick auf das Wasser zeigt Reihen von spitzen Felsen, die wie Zähne eines gigantischen Seemonsters aus dem Wasser ragen. Einige hundert Schritt vor der Küste könnt ihr vor der niedrig stehenden Sonne das noch brennende Wrack eines Schiffes ausmachen, dass, von den Felsen regelrecht aufgespießt, nur noch in Teilen aus dem Wasser hervorschauen. Dunkle Wolken erstrecken sich über euren Köpfen, klaren aber in Richtung des Meeres und der Sonne rasch auf. Euer Atem gefriert in hellen Schwaden, kaum dass er aus eurem Mund tritt. Auf den Klippen vermeint ihr das weiße Glitzern von Schnee zu sehen.

Während ihr versucht, euch zu erinnern, wo ihr sein könntet, stellt jeder von euch mit Erschrecken fest, dass ihr nicht nur diese Frage nicht beantworten könnt, sondern euch auch ansonsten nur an sehr wenig erinnert. Einige schwache Bilder aus eurem Leben ziehen an euch vorbei, zu wenig jedoch, um einen zusammenhängenden Eindruck zu bekommen.


Der Taure reibt sich die kleine Stelle an der Stirn zwischen seinen Hörnern, während er versucht, sich aus den Bildern in seinem Kopf von einen Wald voller duftender, farbenfroher Blumen einen Reim zu machen. Kurz glaubt er Wolfsheulen in der Fern zu hören... doch auch das ist nur eine blasse Erinnerung.

Die drahtige Kriegerin wischt sich einige Meter weiter durch ihr kurzes, braunes Haar, als ihr eine Erinnerung an einen Kampf oder vielleicht eine Art Training ins Gedächtnis steigt. Sie sieht eine Klinge auf ihr Gesicht zukommen, kann aber gerade noch ausweichen und kontert geschickt - nichtssagende Bilder, die von einem letzten Gedanken an das stinkende, nasse und mit Personen überfüllte Deck eines unbekannten Schiffes beendet werden.

Eh die dunkelhaarige Amazone erwacht, huschten ihr Bilder von einem feuchten, warmen Dschungel durch den Kopf. Sie erinnert sich an das Gefühl von Gras unter ihren Füssen, an den Geruch von Schweiß und Blut und an das Gefühl von Stahl in ihren Händen. Doch all das bleibt auch für sie nicht mehr als ein ferner Schimmer.

 

Einer nach dem anderen gelingt es euch, langsam aufzustehen. Nun bemerkt ihr einander. Alle von euch sind in die gleichen schlichten, grau-braunen Lumpen gehüllt und, wie ihr mit Überraschung feststellt, tragt ihr alle eine dunkle Tätowierung auf der Stirn, deren Symbole euch allerdings nichts sagen. Es handelt sich um einen nicht ganz geschlossenen Kreis, in deren Inneren zwei Linien ein ineinander verschlungenes Muster bilden, welches nach unten durch den Kreis hindurch ausläuft. Wenngleich ihr euch an so gut wie nichts erinnern könnt, so glaubt ihr doch, eure Namen im Gedächtnis zu haben: Lumix, Raylania und Hedwig. Lumix ist der Taure, an dessen markanten Hörnern noch etwas Seegras haftet. Bei Raylania handelt es sich um die braunhaarige Frau, deren leicht spitze Ohren und feinen Gesichtszüge von elfischen Vorfahren zeugen. Muskeln zeichnen sich deutlich unter der schlichten Kleidung ab, ihr ovales Gesicht wirkt trotz des harten Blickes freundlich. Die sehnigen Arme der kräftigen Hedwig und einige feine Narben in ihrem Gesicht lassen erahnen, dass sie nicht ganz unerfahren im Kampf ist.

Eure Haare sind, bis auf Lumix’ Mähne, allesamt kurz geschoren. Unsicher blickt ihr euch gegenseitig an, geht aufeinander zu. Die Gesichter, die Körper, die Stimmen der anderen kommen euch bekannt - geradezu vertraut - vor und so stellt ihr euch zögerlich vor. Als ihr die Namen hört, dringt eine Welle von Gefühlen in euren Geist, so seltsam vertraut klingen sie euch. So viel mehr Fragen liegen euch bleischwer auf der Zunge, doch die Kälte, die mit tausend Nadelstichen in eure Körper dringt und Glieder wie Gedanken schwer werden lässt, stellt gerade einen schlechten Hintergrund für ein längeres Gespräch.

Niemand von euch scheint ernsthafte Verletzungen zu haben. Nur dieses dumpfe Dröhnen in den Ohren und der Geschmack von Rauch, Blut und Salzwasser im Mund bleiben. Dazu steht ihr noch immer unter Schock und habt Schwierigkeiten euch auf irgendwas richtig zu konzentrieren. Fast wortlos beginnt ihr einer nach dem anderen herumzulaufen und das Treibgut nach nützlichen Gegenständen zu untersuchen. Weitere Überlebende findet ihr nicht -  glücklicherweise aber auch keine Toten. Nach ein wenig Sucherei findet Lumix wirklich noch was. Ein kleines Säckchen, leicht angebrannt, aber noch verschlossen. Darin süßes Gebäck und andere Leckereien. Wer auch immer sowas mit auf eine Seereise nimmt... - Willkommen ist der Fund auf jeden Fall.
Euren Fund verstaut ihr in einem abgerissenen Stück Segel, welches sich Raylania wie einen Sack über die Schulter wirft. Gerade wollt ihr euch wieder vom Ufer abwenden, als Lumix’ Blick auf einem Ast hängen bleibt, der sich langsam in den Wellen wiegt. Er fischt ihn aus dem Wasser eh die nächste Welle ihn wieder mit sich zieht, hebt ihn vorsichtig, beinahe ehrfürchtig an und betrachtet das Stück Holz, dass sich als kunstvoll verzierter Stab herausstellt. Er fühlt sich gut an in der große Pranke des Tauren. Vertraut. 

Instinktiv schließt der Taure die Augen und konzentriert sich für einen Moment. Ohne sagen zu können, was genau er gemacht hat, weicht die Kälte ein wenig aus euren drei Leibern. “Was war das?” fragt Hedwig skeptisch. “Ich... weiß nicht genau” schnaubt Lumix nachdenklich mit seiner tiefen, röhrenden Stimme “Es war nur ein Gedanke… es fühlte sich richtig an. Aber wir sollten uns besser noch mehr aufwärmen - auch unsere Kleidung. Ich weiß nicht, ob ich das so einfach nochmal machen kann oder wie lange das anhält.” nur einen Moment hält er inne und schaut sich um, eh er weiter spricht “Das Holz vom Schiff ist zu nass, vielleicht finden wir weiter oben am Strand einige Äste, die herunter geweht sind. Oder wir wärmen uns gegenseitig mit unseren Körpern.” “Nein danke, da erfriere ich lieber,” erwidert Raylania nur trocken mit einem Seitenblick und leichtem Rümpfen der Nase. Ihr Gesicht hellt sich auf, als sie ein leises Quiken neben sich im Sand hört. Sie beugt sich herab und streckt die Hand zu einem am Boden liegenden Fellbündel aus. Eine kleine, durchnässte Maus hüpft ihren Arm hinauf und setzt sich auf ihre Schulter. Das Gefühl wirkt auf Raylania sehr gewohnt, während die anderen eher überrascht auf das kleine Tier schauen, dass sich eng an den Hals der Frau schmiegt und euch aus überaus intelligent wirkenden Knopfaugen anblickt.

So macht ihr euch daran, den Rest der kleinen Bucht zu durchsuchen. Zu eurem Bedauern könnt ihr in der ganzen Bucht kein trockenes Holz finden, geschweige denn irgendetwas, mit dem man ein Feuer entfachen könnte. Mittlerweile steht die Sonne etwas höher am Himmel, so dass ihr den ganzen Tag noch vor euch habt, anstatt, wie zuerst befürchtet, eine kalte Nacht in dieser Bucht verbringen zu müssen. In der Hoffnung, im Hinterland mehr Erfolg zu haben und weil eure noch immer schmerzenden Gelenke etwas Bewegung brauchen, fasst ihr den Beschluss, den Strand zu verlassen

Eine der Klippen erweckt den Anschein, als sei sie selbst in eurem Zustand leicht zu erklettern und so wagt ihr mit steifen Gliedern den Aufstieg. Raylania scheint das Klettern so leicht zu fallen, wie ein Spaziergang über grüne Wiesen, während Hedwig mehrfach abrutscht und am Ende von Raylania über die Kante gezogen werden muss.
Oben angekommen findet ihr euch mehrere Dutzend Schritt über dem Meer wieder. Allerdings könnt ihr auch von hier im dimmen Tageslicht nicht viel von eurer Umgebung ausmachen. Der Bereich nahe der steinigen Küste ist von Moos, Gras, Farnen und nur vereinzelten Bäumen und Büschen bewachsen. Etwa hundert Schritt landeinwärts beginnt ein dichter Wald. Das Gelände ist sehr hügelig und steigt zunehmend an. Hinter dem Wald könnt ihr in der Ferne die Gipfel eines beeindruckend hohen Gebirges erkennen. Ratlos schaut ihr einander an, in der Hoffnung, dass irgendjemand eine Vermutung ausspricht, wo ihr sein könntet. Aber niemandem von euch kommt diese Gegend bekannt vor.

“Wir sollten in den Wald gehen,” schlägt Raylania vor. “Dort finden wir sicher etwas trockenes Holz und vielleicht auch etwas Schutz vor der Kälte.” Hedwig wirkt weniger überzeugt. Sie gibt zurück: “Die Idee hat etwas für sich. Aber wisst ihr, wie man ohne Feuerstein Feuer macht? Ich zumindest nicht. Vielleicht wäre es besser, entlang der Küste nach einem Fischerdorf zu zu suchen. Seht ihr dort … das, was aussieht, wie ein kleiner, plattgetretener Pfad? Sicher muss es hier irgendwo andere Menschen geben.” Lumix nickt. “Dem kann ich zustimmen. Wir sollten hoffen, eine Siedlung zu finden.”

Ihr beschließt also, euch nach Westen zu wenden, eine Richtung wirkt schließlich so gut wie die andere. 

 

Ihr seid erst einige Minuten gelaufen, als ihr auf zwei einsame Gestalten trefft, die am Wegesrand im Gras sitzen und ein wenig verlassen wirken. Die stämmige Zwergin und der schlanke, beeindruckend große Mann tragen die gleiche grau-braune Kleidung wie ihr und haben ebenfalls diese Markierung auf der Stirn. Der Mann blickt euch schweigsam an, während die Frau verwundert das Wort an euch richtet: “Ihr … ich kann mich an euch erinnern. Glaube ich zumindest. Ihr wart auch auf dem Schiff, oder?” Auch in euren Köpfen schwirren irgendwo Bilder der beiden Fremden umher… aber viel zu vage und fern als das sie euch etwas nützen würden. Statt eine Antwort zwischen seinen vor Kälte ganz tauben Lippen hervorzupressen, deutet Lumix nur auf seine noch immer feuchte und teilweise gefrorene Kleidung.

“Verdammt, natürlich. Es ist nur … ich … wir können uns an kaum etwas erinnern. Ich nehme an, es geht euch ähnlich?” Hedwig steht neben dem Tauren und nickt stumm während Raylania etwas Abstand hält. Sie traut diesem “zufälligen” Treffen offenbar nicht ganz. “Dann wurdet ihr woanders angespült? Habt ihr irgendetwas Hilfreiches gefunden? Oder etwas, das vielleicht ein paar Antworten gibt?” Hedwig hebt den Beutel mit gefundenem Proviant. “Das ist alles. Ansonsten leider nichts bis auf das brennende Wrack auf See. Wir landeten dort hinten. An einem kleinen Strand. Ein wenig Treibgut und etwas Proviant, sonst nichts. Auch keine anderen Personen.”

Die Zwergin blickt gierig auf den Beutel, fasst sich aber rasch wieder. “Dann nehme ich an, dass wir im gleichen Boot sitzen. Oder eben nicht mehr sitzen, hah!” sie grinst kurz… wirklich nur sehr kurz “Kommt mit, ich denke, wir haben etwas, wofür ihr uns gerne an eurem Festmahl teilhaben lasst. Ich bin übrigens Khayriyya, aber nennt mich Khay, das ist für gefrorene Lippen leichter auszusprechen, der lange hier ist Orm.” Ohne eine Antwort abzuwarten dreht sich die kompakte Dame um und stapft in Richtung der Küste. Orm verharrt mit seinem Blick noch ein wenig länger auf euch, zeigt dann allerdings ein gezwungenes Lächeln und geht ebenfalls voran.

Raylania schließt zu Lumix und Hedwig auf. “Was meint ihr?”
Lumix nickt sachte. “Die beiden sehen nicht wie Banditen aus… geschweige denn wie Kämpfer. Hätten sie uns überfallen wollen, gäbe es hier genug Gelegenheiten für einen Hinterhalt.”
Hedwig nickt dazu nur: “Wir folgen ihnen oder wir erfrieren hier im Nirgendwo.”
Ihr schiebt die Bedenken also beiseite und folgt den beiden. Khay und Orm führen euch zu einer versteckten Bucht, die ein wenig größer ist als jene, in der ihr gelandet seid. Sie ist offenbar nur über einen mit Büschen verdeckten Pfad erreichbar. Eure Herzen beginnen vor Freude und Erleichterung ein wenig schneller zu schlagen, als ihr Rauch aufsteigen seht und euch der Geruch eines großen Lagerfeuers in die Nüstern und Nase steigt. Tatsächlich sitzt an einem kleinen Lagerfeuer noch eine weitere weibliche Gestalt, die euch bei eurer Ankunft beinahe überschwänglich anlächelt.

“Ihr habt doch noch welche gefunden!” wendet sie sich an Khay, bevor sie euch näher in Augenschein nimmt, während ihr euch an dem großen Lagerfeuer aufwärmt. Sie zeigt auf eure Stirn. “Oh, ihr drei seid auch … ihr habt … ahm… was auch immer. Ich hatte so sehr gehofft, dass wir auch Überlebende ohne diese Zeichen finden. Wir wurden alle an diesem Strand angespült - zusammen mit einigen anderen. Aber überlebt haben nur wir. Alle anderen waren bereits tot als wir erwachten. Vielleicht hätten uns die anderen etwas mehr Antworten geben können...” Sie schlägt sich eine Hand vor den Mund. Die Geste wirkt nur deswegen nicht absurd übertrieben, weil sie es ernst zu meinen scheint. “Es tut mir so leid. Natürlich bin ich froh, dass ihr überlebt habt. Damit wollte ich nicht sagen, dass ... “

“Ist ja gut, Cal. Bei den Göttern des Steins, meinst du die drei haben keine größeren Sorgen als ein falsches Wort von dir? Wir sollten uns erst einmal in Ruhe aufwärmen. Und versuchen herauszufinden, an was wir uns zusammen erinnern können.”

Den eh schon knappen Proviant auf sechs Leute aufzuteilen ist hart - aber eine wichtige Geste des Friedens um die leichte Spannung hier etwas zu lösen. Es reicht aus, dass jeder einmal halbwegs satt wird und etwas zu Kräften kommt. Auch eure Kleidung trocknet und langsam kehrt das Leben in eure Körper zurück.

Wie ihr allerdings schnell feststellen könnt, scheint ihr alle unter den gleichen Erinnerungslücken zu leiden. Eure Namen, einige wenige Bilder aus eurem Leben - aber nichts, was euch wirklich weiterhelfen könnte. Orm spricht kein Wort, auf eure Fragen antwortet er nur mit Nicken und Kopfschütteln. Cal scheint eine Nonne oder Priesterin zu sein. Sie erzählt, dass sie sich an ein Kloster erinnert. Währenddessen untersucht sie euch auf Verletzungen, auch wenn sie selbst nicht sagen kann, was sie genau dazu treibt. Nachdem ihr euch aufgewärmt habt, zeigt die Zwergin Khay euch die Leichen am Strand. Neben einigen Personen, die die gleiche Aufmachung und das gleiche Zeichen wir ihr tragen, liegen dort auch einige, denen letzteres fehlt. Auch tragen sie andere Kleidung als ihr, die überwiegend besser gearbeitet ist und sich untereinander stark ähnelt, wie eine Art Uniform. In verschiedenen Rottönen gehalten, weisen sie auf der Brust eine Stickerei in Form eines schwarzen Schwertes auf, das, von einer Faust in die Höhe gereckt, von mehreren Blitzen getroffen wird. Scheinbar gehörten sie zur Besatzung des Schiffes.

Aber wer wart dann ihr? Kurz überlegt ihr, euch die Uniformen anzuziehen. Da sie allerdings auch nicht wärmer als eure derzeitige, neutrale Kleidung ist und ihr keine Ahnung habt, wie die Farben und Embleme in dieser Gegend aufgenommen werden, entscheidet ihr euch dagegen. Um mehr Antworten zu finden, untersucht ihr das angeschwemmte Treibgut genauer. Tatsächlich finden sich einige Dinge, die den anderen Dreien in der morgendlichen Dämmerung offenbar entgangen waren: einige Stücke durchnässter, dicker Winterkleidung, einige Dutzend Schritt gutes Seil und schließlich noch eine kleine Kiste mit dem persönlichen Gut eines höhergestellten Besatzungsmitgliedes. Neben Münzen, deren Wert euch allerdings verschlossen bleibt, noch einige Schmuckstücke und, in einigen, mit Wachs versiegelten Tongefäßen, Gewürze, an deren Namen ihr euch nicht erinnern könnt, die aber sicherlich gut zum Tausch geeignet sind.

 

Mit eurer Ausbeute kehrt ihr wieder zum Feuer zurück, um zu besprechen, wie ihr von hier aus weitermachen wollt. Der Plan, entlang der Küste zu marschieren, bis ihr auf eine Siedlung stoßt, sorgt nicht gerade für Freude, allerdings hat auch keiner der Anwesenden eine bessere Idee. Ihr beschließt, dass ihr eure Chancen verdoppeln könnt, indem ihr euch trennt und in beide Richtungen aufbrecht. Ihr wollt gerade eure magere Ausbeute aufteilen, als Orm, der die ganze Zeit über mit einem scharfkantigen Stein einige längere Holzstücke bearbeitet und deren Spitzen über dem Feuer gehärtet hat, euch auf einmal hastig bedeutet, still zu sein und mit seiner improvisierten Waffe auf die Böschung am Weg deutet. Hedwig und Rayla greifen sich jede das nächstbeste Stück Holz als Keule und Lumix umklammert seinen Stab mit beiden Händen.
Eine ganze Gruppe heruntergekommener Personen bricht lautstark durch das Gestrüpp. Bis auf wenige Ausnahmen wirken sie verwahrlost und zerzaust, trotz des kalten Wetters hinterlässt der Schweiß deutliche Linien in dreckigen Gesichtern. Neben einigen Menschen könnt ihr in der Gruppe auch drei Zwerge, einen Elfen und eine fellüberzogene Gestalt erkennen, die an Größe Lumix in nichts nachsteht und mit jedem Öffnen ihres herausstehenden Mauls eine Reihe spitzer Zähne zum Vorschein bringt. Ein wenig erinnert das haarige Etwas an einen riesigen Pavian in Leinenkleidung, scheint aber intelligent zu sein. Teilweise tragen die Leute einfache Knüppel, andere auch rostige Beile oder Dolche bei sich. Als sie euer gewahr werden, bleiben sie überrascht stehen und ihre Hände wandern zu den Waffen, die sie an ihren Gürteln tragen. Eine hochgewachsene, gut beleibte Menschenfrau in robuster Lederkleidung mit einem rostigen Gladius in der Hand tritt einige Schritte vor und wendet in einem sehr genervten und auch aggressiven Ton das Wort an euch: “Devez mat! Et camen savo unser Strand. Es damo estah auch unsere Beute! Wie oft muss ich das euch elenden Kreijanern!“ Während sie schimpft geht sie weiter auf Rayla, die nahe am Feuer steht, zu - dann hält sie jedoch abrupt inne und hebt beschwichtigend die Hände, während ihre Gefährten hinter ihr stehen bleiben. “Dosta éh, mein Fehler. Wie ich sehe, wart ihr auf dem Schiff, ja? Gut für euch, dass ihr noch lebt.” Dann grinst sie fast schon freundlich “Bleibt einfach ruhig, gebt uns was ihr bergen konntet und niemand wird verletzt. Wir wollen keinen Ärger mit euch, als macht keine Dummheiten.”

Etwas an der Sprache der Frau kommt euch merkwürdig vor. Sie wirkte zunächst fremdartig, doch nach wenigen Worten konntet ihr sie verstehen, als hättet ihr nie eine andere gesprochen. Khay, Orm und Cal scheint es ihren Blicken nach ähnlich zu gehen.

Aufgrund eures Zustandes scheint das Angebot verlockend. Allerdings wisst ihr nicht, ob ihr diesen Personen vertrauen könnt und es ist deutlich, dass die Chancen in einem Kampf nicht ganz so gleich verteilt wären.

 


KAPITEL 2

Hedwig richtet sich langsam auf, ergreift demonstrativ einen langen Knüppel, der im Sand neben dem Feuer liegt und fixiert die Wortführerin der Gruppe mit einem eisernen Blick. Auch Lumix reckt sich drohend zu seiner vollen Größe und schnaubt laut, was einige der Fremden einen Schritt zurückweichen lässt.

Die Frau zieht die Mundwinkel leicht nach oben und sagt in spöttisch-enttäuschtem Tonfall: “Wie schade. Ich dachte, ihr würdet euch damit zufrieden geben, einmal am Tag dem Tod zu entrinnen. Aber uns soll es so auch recht sein.” Sie hebt das Schwert und die gesamte Gruppe tut es ihr nach. Das fellbesetzte Monster springt in mehreren hastigen Schritten auf Lumix zu und wirft ihn zu Boden, wobei er es gerade noch schafft, seinen Stab zu heben, um sich vor dem Maul des Wesens zu schützen.

Raylania wird von einem bärtigen Zwerg und einem Menschen bedrängt, die beide mit Holzfälleräxten bewaffnet sind. Das überlegene Grinsen der Männer verrät, dass sie glauben, mit ihrem unbewaffneten Gegenüber leichtes Spiel zu haben… ein Fehler. Die Amazone kann den Schlägen, die mit viel Kraft und wenig Kunst geführt werden, leicht ausweichen. Eine Sekunde der Unachtsamkeit des Menschen reicht aus, dass sie seinen Axthieb mit einer leichten Drehung des Unterarmes in den Schädel des Zwergen umlenkt, wo die Waffe Axt knirschend stecken bleibt. Der Bärtige sagt rücklings in sich zusammen, während Raylania den panisch dreinschauenden Mann mit einem geschmeidigen Sprung ihr Knie unter das Kinn rammt. Ein paar Zähne fliegen durch die Luft und der Mann liegt regungslos im Sand.

Hedwig steht währenddessen der Anführerin gegenüber. Rostiges Metall trifft in regelmäßigen, dumpfen Schlägen auf nasses Holz, als die beiden hauend und stechend miteinander kämpfen. Die Banditenführerin scheint durchaus Erfahrung zu haben, doch Hedwig kann ihren Kampfstil schon wenige Schwerthiebe später durchschauen und die nächsten Bewegungen erahnen. Mit einem kraftvollen Stich dringt die Spitze ihres Stocks wie ein Speer in den Hals ihrer Gegnerin, die gurgelnd zu Boden geht. Noch ehe sie auf dem Boden aufschlägt hat Hedwig schon den Gladius in der Hand und hilft Khay sich gegen andere Angreifer zu verteidigen.

Das haarige Monstrum hatte sich sofort geifernd auf Lumix gestürzt und ihn zu Boden gebracht. Immer wieder den Bissen und den Klauen ausweichend, kann der Taure eines seiner Beine unter den Bauch des Wesens bringen und es mit einem kräftigen Huftritt von sich herunter schleudern. Es überschlägt sich mehrfach, kommt aber gleich wieder auf die Beine - ebenso wie Lumix. Auf seinen Stab gestützt fällt Lumix’s Blick auf das hell lodernde Lagerfeuer. Instinktiv greift er das Holz fester und konzentriert sich auf die Flammen, die mit einem Mal noch kräftiger auflodern. Eine Flammensäule fährt hervor und umschließt das Monster. In Flammen gehüllt rennt es kreischend und heulend zum Wasser, wo es nur noch zischend in die Fluten kippt und nicht mehr aufsteht.

Das ist endgültig zu viel für den Rest der Angreifer. Die Überlebenden wenden sich ab und ergreifen panisch die Flucht. Hedwig setzt an, ihnen nachzustellen, wird aber von Orm zurückgehalten, der kopfschüttelnd auf eine Gestalt am Lagerfeuer zeigt. Cal liegt dort, zuckend auf dem Rücken, sie hält sich den Bauch, aus dem dunkles Blut in den Sand sickert. Während ihr euch über sie beugt, versucht sie noch etwas zu sagen, doch nur ein Schwall Blut dringt aus ihrem Mund, bevor sich ihr Blick verschleiert und ihre Glieder erschlaffen.

Betreten blickt ihr auf die Frau, die ihr nur kurze Zeit gekannt habt. Orm und Khay schauen besonders traurig drein, sagen jedoch nichts.
Doch ändert dies nichts daran, dass ihr bald von hier verschwinden solltet, bevor euch neue Gefahr droht. Zu viele Banditen sind entkommen. Wenn sie Verstärkung holen wird es wirklich brenzlig. Da ihr keine Zeit habt, Gräber auszuheben, tragt ihr rasch noch ein wenig mehr Holz und Gestrüpp herbei und mit etwas Unterstützung von Lumix lodern bald einige weitere Feuer hinter euch, während ihr euch wieder auf den Weg in die Zivilisation macht.

 

Lange Schatten säumen den Weg, als ihr in der frühen Abenddämmerung endlich in der Ferne dünne Rauchsäulen in Richtung des rötlich schimmernden Horizontes aufsteigen seht. Trotz der Fetzen Segeltuchs, die ihr euch als zusätzlichen Schutz vor der Kälte um den Körper geschlungen habt ist euch noch immer bitterlich kalt. Eure Finger und Zehen sind schon taub vor Kälte und ihr spürt, wie die Müdigkeit in euch aufsteigt. Umso größer ist die Erleichterung. Lumix klatscht erfreut in die Hände und sogar Orm zeigt Ansätze eines Lächelns. Der Rauch verspricht eine warme Mahlzeit und zumindest ein Lager im Stroh.

Nur Khay zieht die Stirn in krause Falten und brummt: „Wir sind Fremde hier und haben kaum Geld oder etwas Nennenswertes zu tauschen. Außerdem wissen wir nichts über diese Gegend. Wer weiß, wie wir empfangen werden. Seid lieber wachsam, anstatt euch zu früh zu freuen.” Trotz der warnenden Worte beschleunigt die Aussicht auf die Früchte der Zivilisation eure Schritte.

 

So könnt ihr, noch bevor die Sonne ganz hinter dem Horizont verschwunden ist, die rotgedeckten Dächer einer kleinen Hafenstadt erkennen, die sich dicht an eine tiefe, teils von felsigen Klippen umsäumte Bucht schmiegt. Auf den ersten Blick zählt ihr bestimmt 40 Häuser, vermutet aber, dass es noch mehr sind, die in der Bucht vor euren Blicken geschützt sind. Als ihr euch der Stadt weiter nähert, könnt ihr erkennen, dass die auf der Landseite von einem ansehnlichen Palisadenwall umgeben ist, der gut instand gesetzt scheint. Bei genauerer Betrachtung weisen die Holzpfähle allerdings einige frische Ausbesserungen auf. Ein gut 80 Schritt breiter und schnell fließender, aber schiffbarer Fluss, der friedlich gurgelnd klares Wasser aus den Bergen ins Meer trägt, fließt durch eine Lücke in der Palisade. Diese ist mit einem heruntergelassenen eisernen Fallgitter verschlossen, das zusätzlich noch mit Keilen festgesteckt wurde und eine sonderbare Delle aufweist.

Khay grunzt bestätigend und dreht sich zur Gruppe herum: “Seht ihr die Holzarbeiten und das beschädigte Gitter? Ich hatte recht, wir sollten vorsichtig sein. Hier ist nicht alles so harmlos wie es gerade aussieht.
Oder es waren nur ein Sturm und ein allzu eiliger Schiffer. Lass deine Phantasie nicht mit dir durchgehen,” gibt Raylania, inzwischen besser gelaunt, zurück, worauf sie einen bösen Blick von der Zwergin erntet. Da ihr noch immer recht heruntergekommen ausseht und keinesfalls für eine Gruppe Banditen gehalten werden möchtet, beschließt ihr, eure provisorischen Waffen vor der Stadt abzulegen.

Mit den letzten Strahlen der untergehenden Sonne nähert ihr euch dem einzigen Tor in der Palisade. Ein untersetzter, menschlicher Mann, dessen zurückweichendes, dunkles Haar erste Spuren von Grau enthält, steht bequem auf eine Hellebarde gestützt davor und mustert euch vorsichtig aus wachsamen Augen, als ihr näher kommt. Sein Blick bleibt unangenehm lange auf den Zeichen auf euren Stirnen ruhen. Als er zu sprechen beginnt, erkennt ihr die gleiche Sprache wie bei den Leuten am Strand, die sich aber noch immer vertraut für euch anhört - Obwohl ihr euch fast sicher seid, dass es nicht eure eigene ist.

„Was haben wir denn hier? Wie Händler seht ihr mir nicht aus und falls ihr vor irgendetwas oder irgendwem davon lauft, solltet ihr euer Glück lieber woanders versuchen. Hier leben anständige Menschen, die Ärger lieber aus dem Wege gehen.“

„Keineswegs,“ beginnt Hedwig hastig aber freundlich zu reden, „sinnen wir auf Übel. Ganz im Gegenteil, uns ist große Not widerfahren, als unser Schiff einige Meilen von hier auf Grund lief und wir mit Glück an den Strand gespült wurden. Wir bitten nur um den Schutz eurer Stadt für eine Nacht, etwas Nahrung und einen Schlafplatz. Wir konnten ein wenig von der Ladung retten und sind bereit, dafür zu tauschen.“

Die Wache blickt euch wieder nacheinander an, doch sein Gesicht hellt sich dabei ein wenig auf. Er fährt sich nachdenklich mit der freien Hand über die dunklen Stoppeln an seinen Wangen. „Redet die immer so geschwollen? Hrm, es war wirklich ein schlimmer Sturm in der letzten Nacht. Wenn eure Geschichte stimmt, habt ihr wirklich großes Glück, dass ihr es überhaupt noch hierher geschafft habt. Lasst mich einen Blick in eure Beutel werfen. Ich will nur auf Nummer Sicher gehen, bevor ich euch in unser schönes Skjarige einlasse.“

Nach einer kurzen Untersuchung eurer wenigen Habseligkeiten scheint die Wache keine Gefahr in euch zu sehen und öffnet das Tor. Während ihr dankbar durch den Spalt geht, ruft der Mann: “He! Helene! Wach auf und führe unsere Gäste zu den Drei Forellen! Es sind Schiffbrüchige vom Sturm der letzten Nacht.” Die Angesprochene, eine junge Frau mit dunkelblonden Haaren, der pummeligen Figur und einem Kurzschwert an der Hüfte, die zusammengesunken auf einem Stuhl direkt auf der anderen Seite der Palisade saß, gähnt herzhaft, schaut euch aus zusammengekniffenen Augen an. Dann schwingt sie sich geschickt auf und geht mit einem knappen “Folgt mir!” voran.

Ihr folgt der Wache durch die verwinkelten Gassen. Die Stadt ist doch größer, als die Palisade oder die auf den ersten Blick kleine Bucht es vermuten ließen.  Die Häuser schmiegen sich eng aneinander und an die Klippen. Ihre Bewohner scheinen keinen großen Mangel zu leiden, denn die Häuser sind aus gut behauenem Stein und stabilem Fachwerk gearbeitet, recht groß und in tadellosem Zustand. Die Hauptstraße hinter dem Tor führt auf direktem Weg hinab bis an den Strand, auf dem einige kleinere Fischerboote liegen. Ein weit ins Wasser reichender Pier ist gerade von keinem Schiff belegt und an den vier großen Lagerhäusern, die ihr im Hafen sehen könnt, herrscht keinerlei Betrieb. Nach einem kurzen Marsch steht ihr vor einem besonders breiten, dreistöckigen Gebäude, das an der Rückseite direkt an eine Felswand grenzt. Ein Holzschild über der Tür zeigt einen Kreis aus drei Fischen und aus den geschlossenen Fensterläden dringen die Geräusche eines gut gefüllten Schankraumes. Die Wache, die euch hergeführt hat, bedeutet euch, einen Moment zu warten und geht zuerst in das Gasthaus.

 

Als ihr wenig später hereingebeten werdet, ruhen alle Blicke der Leute in dem stattlichen Schankraum auf euch. Bis auf das Knistern des Feuers im großen Kamin an einer Seite des Raumes und gelegentlicher Schmatz- und Schlürfgeräusche ist kein Laut zu hören, während gut zwanzig Personen euch neugierig anblicken. Jung und Alt sind bunt gemischt, ebenso sitzen Personen in der schlichten Kleidung eines Fischers an einem Tisch mit wohlgenährten Menschen, deren bestickte und mit Fellabsätzen versehene Kleidung sie als wohlhabendere Bürger ausweist. Ein weißhaariger Zwerg blickt euch interessiert durch sein Monokel hindurch an.

Schließlich beginnt ein älterer Mann mit einer speckigen Schürze um den prallen Bauch und einer von Wärme oder Wein roten Nase zu sprechen, während er euch hastig näher winkt. “Hört doch auf, die Armen derart anzustarren. Was sollen sie denn von uns halten? Wilkommen in den drei Forellen! Ich bin Yannik, mir gehört dieses bescheidene Haus. Bitte, setzt euch ans Feuer.” Er macht einen Tisch direkt vor dem Kamin für euch frei, während nach und nach die unterbrochenen Gespräche wieder aufgenommen werden. Der Wirt fährt mit einem Nicken in Richtung der Wache, die sich aufmacht, wieder durch die Tür zu verschwinden, fort: “Helene hier hat mir schon berichtet, was euch widerfahren ist. Euer Kapitän war entweder besonders mutig oder besonders dumm, zu dieser Jahreszeit so dicht an der Küste entlang zu fahren. Andererseits … “, sein Blick bleibt auf Lumix ruhen, der ihn gleichmütig aushält, “... scheint ihr nicht gerade hier aus dieser Gegend zu kommen. Aber wärmt euch erst einmal in Ruhe, bevor ich euch etwas zu essen und zu trinken bringe. Ihr seht aus, als seid ihr halb am verhungern.”

Daraufhin begibt sich Yannik in die Küche, um euer Essen zuzubereiten. Ein schüchternes, weiß-blondes Mädchen mit Sommersprossen stellt jedem von euch einen Humpen mit einer malzig duftenden Flüssigkeit auf den Tisch. Lumix und Khay leeren ihre mit einem hastigen Zug und knallen beide das Gefäß zufrieden grinsend auf die Holzplatte. Raylania hingegen nippt erstmal nur an dem Getränk - scheint ihm aber nicht abgeneigt. Hedwig schaut nur skeptisch und verzieht das Gesicht bei dem süßlichen Geruch von Honig und Alkohol. Auch Orm fasst das gelbliche Gebräu nicht an, obwohl er es in der Hand hält um nicht unhöflich zu erscheinen. Als der Wirt dann aber Teller mit nach Knoblauch duftendem Bratfisch und Berge von geröstetem Gemüse heran trägt übermannt euch alle fünf der Hunger und die Hemmungen fallen.

Während ihr euch hastig über das üppige Mahl hermacht, lässt sich mit einem tiefen  Keuchen ein Mann an eurem Tisch nieder. Die Falten in seinem bleichen Gesicht zeugen deutlich von seinem Alter. Dichte Haare sprießen aus seinen Ohren und seiner Nase, auf der ein gut gefertigter Zwicker sitzt. Mit überraschend geschickten Fingern nimmt er die Sehhilfe von seinem Nasenbein und wischt sie mit einem bestickten, weißen Tuch ab, bevor er euch genauer in Augenschein nimmt. “Ich grüße euch! Bitte, ich hoffe es ist nicht vermessen, dass ich mich einfach so zu euch setze, aber ihr müsst gestehen, dass ihr mit eurer Aufmachung einiges an Neugier weckt.” Er grinst dabei breit und entblößt wohlgepflegte Zähne. “Darf ich fragen, woher ihr kommt, und was euch an diese Küste führt?” Bevor jemand anderes etwas sagen kann, antwortet die Zwergin mit halbvollem Mund etwas schroff: “Von weit her. Glaube kaum, dass ihr unsere Heimat kennt. Wollten handeln. Haben die gesamte Ladung verloren.”

Falls diese knappe, abweisende Antwort den Mann stören sollte, lässt er sich dies nicht anmerken. Stattdessen beugt er sich geheimnistuerisch über den Tisch und fährt mit leiser Stimme fort: “Interessant. Sehr interessant. Seht ihr, es ist nämlich so, dass wir hier in Skjerige eine uralte Legende haben, die nur an die Schriftführer der Stadt weitergegeben wird, von denen ich zufällig einer bin. Laut dieser Legende, soll in Zeiten großer Not, kurz vor der Zeit des Winterfestes, eine Gruppe Fremder in die Stadt kommen. Sie sollen die Zeichen der Götter tragen und uns retten, wenn wir sie gut behandeln.

Ihr starrt den Mann ungläubig an und das Essen bleibt euch für einen Moment fast im Halse stecken. Hedwig schluckt hastig ihren Bissen herunter und stößt ein gehauchtes “Wirklich? Aber wie …” hervor. Lumix und Orm sehen sich an und betasten ungläubig ihre Stirn. Raylania scheint kurz davor, sich an ihrem Met zu verschlucken, während Khay nur weiterhin misstrauisch drein blickt.

Nachdem der Alte ausgiebig eure Reaktionen ausgekostet hat, wirft er den Kopf in den Nacken und beginnt lauthals zu lachen, bis ihm Tränen in die Augen steigen. Mit einem gemeinsamen, missmutigen Brummen fahrt ihr mit dem Essen fort. Nur Orm scheint den Scherz ebenfalls mit Humor zu nehmen. Als er sich wieder gefangen hat, spricht der Mann mit normaler Stimme weiter: “Entschuldigt einem alten Mann seine Scherze. Aber ihr hättet eure Gesichter sehen sollen. Herrlich. Uralte Legende! Hah. Ich habe keine Ahnung, was es mit euren Symbolen auf sich hat, tut mir leid. Sie kommen von keinen Göttern, die ich kenne. Und sieht es so aus, als würden wir hier besondere Not leiden? Nein, nein. Esst nur in Ruhe auf. Und kommt morgen zu mir, ich bin der beste … nunja... und einzige Schneider des Ortes. Sicher finden wir etwas, das euch passt, damit ihr aus diesen Fetzen herauskommt. Als Gegenleistung könnt ihr mir einen kleinen Gefallen tun, solange ihr auf das nächste Schiff wartet, um in eure Heimat zurückzukehren. … Oder auch einen großen Gefallen.” Letzteres fügt er augenzwinkernd in Richtung von Orm und Lumix hinzu. Damit steht der Mann wieder auf und geht an einen anderen Tisch zurück, deren übrige Gäste sich mit ihren Blicken für den Schabernack ihres Schneiders zu entschuldigen scheinen - allerdings nicht ohne selbst auch grinsende Gesichter zu zeigen.

Nachdem ihr, von weiteren Unterbrechungen verschont, euer Mahl beendet habt, zeigt euch Yannik euer Zimmer. Der große Raum im dritten Stockwerk ist mit sechs bequem aussehenden Betten ausgestattet, auf denen dicke Decken bereit liegen. Zwei Becken mit Wasser stehen bereit und sogar ein kleiner Ofen steht euch zur Verfügung. Eine weitere, versperrte Tür führt nach Yanniks Aussage in den angrenzenden Raum, der allerdings derzeit belegt ist. Die Läden vor dem einzigen Fenster sind geschlossen und davor hängt, als zusätzlicher Schutz vor der Kälte der winterlichen Nacht, noch eine dicke Wolldecke.

Nachdem ihr euch gewaschen habt und in euren Betten liegt, schauen sich Khay und Hedwig kurz an und nicken in stummer Zustimmung, eh Hedwig das Wort ergreift: “Ich weiß nicht. Mir kommt das ganze zu gut vor, um wahr zu sein. Euch nicht auch?” Khay schaut ebenso besorgt wie die große Kriegerin und ergänzt: “Wer hat jemals gehört, dass Fremde derart freundlich aufgenommen werden. Und das hier kommt mir nicht wie eine Siedlung von Heiligen vor. Außerdem war da noch …”  Ihre Stimme verliert sich mit jedem Wort mehr zu einem Murmeln, das von ruhigen, gleichmäßigen Atemzügen abgelöst wird. Sie schließt die Augen und schläft einfach ein. Ein Bett weiter liegt Orm bereits regungslos. Auch Hedwig, Rayla und sogar Lumix können die Augen mit einem Mal kaum noch offen halten.
Lumix kann sich mit mühe und Not noch für einen Moment Wach halten. Doch auch er spürt, wie ihm nicht viel Zeit bleibt. Der Taure robbt sich aus dem Bett heraus Richtung Kamin. Dort liegt ein gusseiserner Schürhaken in der Glut. Die Hand umschließt den Griff… doch dann obsiegt der Schlaf doch. 

Es hilft alles nichts, kurz nacheinander entgleiten euch allen die Sinne und ihr taucht in Träume ein, die deutlich von den Ereignissen des Tages geprägt sind. Raylanias Traum ist dabei besonders lebhaft. Ihr elfisches Blut lässt ihr zudem eine gewisse Art von Kontrolle über ihre Träume. Sie kann die Träume selbst zwar nicht komplett steuern, wie es echten Elfen nachgesagt wird, ist sich aber bewusst zu träumen und kann sich sogar fast frei bewegen. Als Bilder aus der Taverne vor ihr erscheinen, betrachtet sie aus einer Laune heraus die anwesenden Bürger etwas näher ... und erschrickt. Eines der Gesichter, das weiter abseits im Schankraum steht und sich ihr nur kurz zuwendet, kommt ihr bekannt vor. Sie mustert ihn ganz genau - und tatsächlich: Der Mann gehörte absolut sicher zu der Gruppe, der ihr am Strand begegnet seid. Er muss hierher geflohen sein. Mit ihrer gesamten Willenskraft zwingt sie sich aufzuwachen und gleitet wieder in die reale Welt - genau wie ihr anderen auch.

Es kommt euch so vor, als wäret ihr gerade erst eingeschlafen, als ihr laute Stimmen vor eurer Tür hört. Jemand ist dort draußen sehr zornig. Obwohl nur die letzte, schwache Glut des herunter gebrannten Ofens und der Lichtschein unter der Tür ein wenig Licht in das Zimmer bringen, könnt ihr sehen, wie der Riegel der Tür sich langsam bewegt. Der Versuch, die Tür zu öffnen endet allerdings jäh, da Lumix sie in diesem Moment mit dem Schürhaken des Kamins verkeilt. Mit einem lauten Krachen wirft sich jemand gegen die Tür und spätestens jetzt seid wacht ihr alle wieder auf.

 

KAPITEL 3

Ihr versucht rasch, die Situation abzuschätzen. Noch ein wenig benommen, scheint euch eine List am besten, bis ihr sicher sagen könnt, womit ihr es zutun habt. “Stellen wir uns schlafend,” flüstert Hedwig so laut sie sich es traut, ohne von draußen gehört zu werden. “Lasst uns sehen, was sie wollen.” Angespannt und kampfbereit versucht ihr, Ruhe vorzutäuschen, als ihr euch leise wieder hinlegt und die Augen bis auf einen Spalt breit zumacht.

Nach einigen lauten Tritten ist der provisorische Keil von der Tür entfernt und sie schwingt auf. Ihr könnt mehrere Stimmen hören, die leise diskutieren.
Wenn sie jetzt aufgewacht sind?
Du hast so viele Tropfen in den Met gekippt, ich bin sicher selbst der Taure wird bis Neujahr schlafen.”
In Ordnung. Aber seid vorsichtig und fesselt sie. Aber denkt dran: Keine Toten. Wir brauchen sie noch lebendig, sonst können wir sie nicht mehr opfern.

Bei dem Wort “opfern” schaudert es euch, aber der Umstand, dass sie vorsichtig mit euch umgehen wollen, eröffnet ganz neue Möglichkeiten. Als die Personen, die ihr im fahlen Licht aus zusammengekniffenen Augen nur schemenhaft erkennen könnt, bleibt ihr mit großer Anstrengung ruhig. Erst als drei Leute versuchen, möglichst vorsichtig Lumix an den Armen anzuheben, um ihn Fesseln zu können, springt der Taure auf und wirft sie von sich.

Alle vier anderen springen auch aus den Betten, ignorieren den aufkommenden Schwindel und stürzen sich auf die völlig überraschten Eindringlinge. Mit einem erschrockenen Aufschrei lassen sie die Seile und Messer fallen und stürmen bereits aus der Tür hinaus. Mit einem geschwinden Tritt kann Raylania jedoch einen von ihnen die Füße unter den Beinen weghauen und zu Boden bringen. Mit einem weiteren harschen Tritt in die Seite dreht sie ihn auf den Rücken. Der junge Mann mit dem Flaumbart im Gesicht hustet heftig und zuckt nochmal zusammen, als er in eure wütenden Gesichter blickt. Im flackernden Licht, das vom Gang hereinfällt, liegt er vor euch und ringt sichtlich mit der Angst. Braune Haarsträhnen liegen über seinem Gesicht und aus den aufgerissenen Augen quellen erste Tränen. “B-b-b-bitte,” stammelt er leise, “t-t-t-t-töt...tötet mich nicht! Wir… wir wussten nicht mehr weiter. Wir …

Wer ist ‘wir’?” faucht Khay. “Und was habt ihr mit uns vor?
Ich … ich … ich,” ist alles, was der Junge stammeln kann. Er wird kreidebleich und steht merklich kurz vor einem Panikanfall. Hedwig schnaubt: “Der Bengel nässt sich ja gleich ein. Ich halte es für besser, wenn wir von hier verschwinden.” Sie nimmt sich den Schürhaken, und drückt das erkaltete, spitze Ende in die Seite des Jungen. “Hoch mit dir. Du gehst voran. Und mach keine falsche Bewegung!” Ihr greift noch schnell eure wenigen Habseligkeiten und setzt euch hinter der zitternden Gestalt in Bewegung.

Misstrauisch in jeden Türrahmen blickend, geht ihr langsam durch den hölzernen Flur und die Treppen hinunter. Im Schankraum wartet bereits eine Gruppe von gut zehn Bürgern auf euch. Alle haben Waffen gezogen und zwei geladene Armbrüste sind auf euch gerichtet. Hedwig zieht den Jungen als Schutz vor sich und bohrt ihm mit dem Schürhaken ganz vorsichtig in die Seite, während ihr stehen bleibt. Einige lange Herzschläge steht ihr regungslos auf der Treppe. Bis auf das Wimmern des menschlichen Schildes ist kein Laut zu hören.

GENUG!” hallt eine laute Stimme durch den Schankraum, die ihr als die des Wirtes erkennt. “Ich habe doch gesagt, dass wir das erst garnicht versuchen sollen! Hört auf mit diesem Wahnsinn, bevor noch jemand verletzt wird!” Verblüfft stellt ihr fest, dass die Worte nicht an euch gerichtet sind, sondern an die anderen Bürger. Sie überlegen, dann senken sich die Armbrüste und auch die anderen Waffen werden weggesteckt. Zu euch umgewandt fährt der Wirt fort: “Ich bin euch wohl eine Erklärung schuldig. Alle anderen werden mein Haus jetzt verlassen und NACH HAUSE GEHEN.” Die letzten Worte spricht er mit Nachdruck eh er sich zu euch dreht.
Langsam hebt der dicke Mann die Hände. “Ich liefere mich euch aus. Wenn ihr sofort verschwinden wollt, könnt ihr das gerne machen, nehmt mich als Geisel. Niemand wird euch aufhalten. Aber ich kann nur darum bitten, dass ihr mich vorher zumindest anhört. Und bei den Himmeln, lasst Björn los, bevor er mir noch die ganze Treppe vollpisst.

Tatsächlich verlassen die anderen Personen das Schankhaus. Einige murmeln wütend, andere senken beschämt den Blick. Hedwig stößt den Burschen von sich, der geradewegs durch die Tür rennt. “Das wird hoffentlich eine verdammt gute Erklärung,” sagt Raylania, als sie sich an den großen Tisch in der Mitte setzt, während Lumix sich vor die Eingangstür aufstellt und seinen Stab bereit hält.

Es gibt wohl keine Worte, mit denen ich mich angemessen entschuldigen könnte. Doch bitte ich euch, zumindest zu versuchen, unsere Beweggründe zu verstehen.” Nach einem missbilligenden Grunzen von Lumix fährt er fort: “Wie ihr sicher bereits bemerkt habt, ging es unserer kleinen Stadt in der Vergangenheit nicht unbedingt schlecht. Die Bucht bietet einen guten Ankerplatz und über den Fluss kommen Holz und die Erze der Minen in den Bergen. In den letzten Monaten hat sich die Situation allerdings zum Schlechten gewendet.” Yannik atmet schwer aus. “Seit dem Frühjahr kamen immer weniger Händler entlang der Straße oder über den Fluss in die Stadt. Jene, die es taten berichteten, dass der Weg hierher als nicht mehr sicher angesehen wird. Irgendetwas soll sich im Wald herumtreiben. Etwas Großes. Etwas Böses. Und da es nichts zu handeln gab, mieden auch die Schiffe von Übersee bald unseren Hafen.
Nach dem Sommer, als es wieder Kälter wurde, wurde es noch schlimmer. Wir mussten in den vergangenen Wochen immer mehr Knechte, Holzfäller oder Minenarbeiter aus der Umgebung aufnehmen. Sie berichteten von riesigen Schatten im Wald. Von verschwundenem Vieh, dann sogar von verschollenen Arbeitern oder Familienangehörigen. Das Wild soll aus der ganzen Umgebung geflohen sein und im Fluss stromaufwärts gibt es kaum noch Fische wenn man den Jägern glauben kann. Die Leute fühlen sich nicht mehr sicher, außerhalb der Stadt. Als wir einen größeren Trupp los schickten, meldete er, dass einige Farmen um den Fluss herum komplett verlassen wurden. Auch das alte Sägewerk steht komplett still. Nur die riesigen Krähenschwärme ziehen noch über das Land.

Raylania und Khay blicken den Mann noch immer unter misstrauisch zusammengezogenen Augenbrauen an. Hedwig schiebt sich eine Strähne aus dem Gesicht und sagt im erwartungsvollen Ton: “Das klingt reichlich düster. Aber ich sehe noch immer nicht, was das ganze mit uns zu tun hat.

Natürlich,” spricht Yannik verschmitzt. “Dazu komme ich sofort. Wir schickten Boten zu unseren Landesherren, um seinen Schutz zu ersuchen. Wir erhielten aber keine Antwort. Und nachdem irgendetwas Großes und sehr Starkes bei Nacht unsere Palisade angriff, wurden wir langsam verzweifelt. Einige der Älteren besannen sich auf eine unserer Sagen, nach der vor langer Zeit ein schrecklicher Flussgeist in dieser Gegend gelebt hat und nachdem einer der Schiffer eine massige, pferdeähnliche Gestalt im Wasser zu erkennen glaubte …” Yannik stockt gedankenverloren. Der kalte Schweiß steht ihm auf der Stirn. Erst nach einem ungeduldigen Schnipsen Orms fährt er fort.

Nun … Laut der Sagen ist das einzige Mittel, diese Flussgeister zu beruhigen … es beschämt mich, das laut auszusprechen … ein Menschenopfer.“ Als Reaktion auf eure erbosten Blicke wendet der Wirt den Blick zu Boden. Dann fährt er fort: „Wir haben lange darüber diskutiert und sahen keinen anderen Ausweg. Und dann kamt, wie von den Göttern gerufen, ihr in die Stadt. Verlorene Seelen, ohnehin nur knapp dem Tod entronnen, die niemand vermissen würde. Viele sahen das als Zeichen an.“ Der Zwergin war die Zornesröte bereits ins Gesicht gesprungen. Auch Lumix an der Tür schnaufte böse. Yannik aber hob erneut die Hand. „Bitte lasst mich aussprechen. Da ihr nun über unsere Situation bescheid wisst und wohl gezeigt habt, dass ihr wisst wie man überlebt, möchten wir euch um Hilfe bitten.
Mir ist klar, dass ihr keinen Grund habt, uns zu vertrauen und dass es eine gefährliche Aufgabe zu sein scheint. Aber bitte, nehmt euch einen Moment, um darüber nachzudenken. Wir würden euch gute Kleidung, Proviant und Waffen zur Verfügung stellen. Und falls ihr wirklich erfolgreich seid und die Geister - oder was auch immer da draußen unheil stiftet - beseitigt, wird unser Schatzmeister euch reich belohnen. Wir wären endlich wieder sicher und könnten hier ohne Angst leben. Die ganze Stadt würden für immer in euren Schuld stehen.

Diese Eröffnung ist für euch alle nur schwer zu verdauen. Schließlich stand für niemanden von euch eine kurze Laufbahn als Opfer für einen Wassergeist auf dem Plan. Nun … zumindest seid ihr euch dessen ziemlich sicher. Der Wirt zieht sich in seine Küche hinter seinen Tresen zurück, um euch diskutieren zu lassen.
Eine ganze Weile diskutiert ihr hin und her. Khay ist klar ganz klar dagegen und betont immer wieder, das man diesen Städtern hier nicht trauen kann, egal was der Wirt sagt. Orm wirkt unschlüssig, scheint aber von der versprochenen Belohnung recht angetan. “Die Leute sind verzweifelt.” wendet Hedwig ein “Ihr habt sie doch gesehen. Die Angst in ihren Gesichtern als sie versuchten uns zu fangen. Das Unwohl, als Yannik ihnen ins Gewissen redete.“ Raylania nickt und brummt: “Es sind alles nur Fischer, Handwerker, Bauern. Einfache Leute. Sie werden Hilfe brauchen, wenn an diesen Gerüchten überhaupt etwas dran ist.” “Das ist genau der Punkt.” wendet der Taure ein. “Wer sagt, dass das nicht alles Humbug ist? Verschwundene Fische, Krähenschwärme, verlassene Höfe. Selbst wenn das überhaupt irgendwas bedeutet, muss das nicht zusammenhängen. Aberglaube ist eine gefährliche Sache.” So geht die Diskussion noch eine ganze Weile hin und her. Ihr beschließt letztlich aber das Angebot anzunehmen.

Yannik ist sichtlich erleichtert, als ihr ihn zu euch winkt und die gute Nachricht überbringt. Und tatsächlich geben sich die Stadtbewohner alle Mühe, euch gut auszustatten. Ihr erhaltet Schwerter, Jagdbögen mit Pfeilen, warme und stabile Kleidung aus Leder und Fell und genug Vorräte um einige Tage außerhalb der Stadt zu überleben. Zwei eifrige, junge Burschen aus der Miliz bieten sich sogar noch an, euch zu begleiten. Aber Khay lacht bei dem Anblick der Halbstarken nur spöttisch und Hedwig lehnt höflich dankend ab. Yannik appelliert am Abend erneut an euer Gewissen und betont immer wieder, dass die ganze Stadt auf euch hofft und euch vertraut.

 

Als ihr euch am frühen Morgen des dritten Tages aus Skjarige aufmacht, habt ihr alle gleichermaßen kurz die Idee, dass ihr euch nun einfach davon machen und euer Glück woanders versuchen könntet. Aber niemand spricht es aus. Euch treibt gleichermaßen Neugier, die Aussicht auf Belohnung und nicht zuletzt das Wissen, die größte und vielleicht einzige Hoffnung der Stadtbewohner zu sein, voran Richtung Wald.
Mit einem vertrauten Gefühl balanciert Raylania ihren neuen Jagdbogen auf einem Finger eh sie geschickt einen Pfeil anlegt und in die Ferne zielt. Khay bestimmt zwei zwei kleine Dolche als ihre Waffen, während Orm ebenfalls einen gut gearbeiteten Bogen wählt. Lumix war zufrieden mit seinen Stab und wollte keine weitere Ausrüstung. Hedwig schwingt zufrieden die Klinge ihres Kurzschwertes auf und ab und klopft mit ihm alle paar Schritte auf das Schild, dass ihr eine junge Frau aus dem Familienfundus spendete. Die blonde Kriegerin nahm sogar noch einige Münzen für die Gruppe entgegen, die nun in einem Säckchen an ihrer Seite klimperten.

Auf der grob skizzierten Karte, die euch nach Beschreibung einiger Bauern angefertigt wurde, entspringt der Fluss im nicht zu fernen Gebirge, fließt durch eine Siedlung namens Cumnor - laut Yannik ein größeres Dorf, das einen guten Tagesmarsch von hier entfernt liegt - und schlängelt sich dann durch den Wald bis nach Skjarige. Es sind einige markante Stellen der Umgebung vermerkt, für den Fall, dass ihr euch vom Fluss entfernen müsst.  

Da ihr aber schließlich auf der Suche nach einem Flussgeist seid, beschließt ihr erst einmal, dem Wasser zu folgen. Die Vegetation um euch herum wird immer dichter und es wird zunehmend stiller. Das Meeresrauschen und Möwengeschrei der Küste verliert sich in der Ferne und wird vom Flüstern des Windes in den Bäumen und dem Plätschern des Flusses abgelöst. Doch davon abgesehen ist es sehr still in diesem Wald. Keine Singvögel in den Bäumen, keine Hirsche, die in der Ferne röhren, keine Mäuse die im Unterholz rascheln, keine Eichhörnchen in den Blättern. Eine bedrückende Ruhe. Nur ganz selten fliegen krächzende Krähenschwärme über eure Köpfe hinweg und verschwinden wieder in Richtung der Berge. Die Worte von Yannik kommen euch zwangsweise wieder in den Sinn. Dieser Wald ist wahrlich etwas merkwürdig.

 

Gegen Mittag ziehen sich dicke, graue Wolken am Himmel zusammen und es wird windiger. Ihr erreicht eine größere Lichtung nahe des Flusses. Einige Hütten stehen um mehrere Gruben, über denen halb zersägte Baumstämme liegen. Ihr habt das Sägewerk gefunden, von dem euch berichtet wurde.

Am Fluss steht eine große Kreissäge, die von dem fließenden Wasser angetrieben werden könnte - würde das Antriebsrad nicht zerborsten daneben liegen. In einem der Bäume steckt eine große Blattsäge, deren oben aus dem Stamm blickendes Ende sich schwach im zunehmendem Wind wiegt und ein geisterhaftes Quietschen erzeugt. Fertig gesägte Bretter sind ordentlich auf einer Seite des Lagers gestapelt, über einer erkalteten Kochstelle hängt ein großer Kessel. Holzteller und Besteck liegt herrenlos herum.

Als ihr auf euer Rufen keine Antwort erhaltet, durchsucht ihr vorsichtig die Hütten. Ihr findet keine einzige Person. Zum Glück gibt es jedoch auch nichts, was klar auf einen Kampf hindeutet. Allerdings scheint das Lager hastig verlassen worden zu sein. In einer der Hütten liegen Spielkarten auf dem Tisch und im Kessel findet ihr einen mittlerweile sehr unappetitlichen, jedoch unangetasteten Eintopf.

Auf einmal sträubt der Taure seine Nackenmähne und er streckt seine Nüstern in den Wind. “Ich rieche Blut. Menschlich. Nicht weit von hier.” Er deutet in Richtung Norden. Sofort zieht ihr eure Waffen und sammelt euch auf dem Platz zwischen den Hütten.
Komm mit, Orm.” Hedwig deutet voran. Khay, Lumix und Rayla machen sich bereit, während Hedwig, mit dem Schild voran und Orm direkt hinter ihr, im Unterholz verschwinden. Nach nur wenigen Augenblicken kommen die beiden schon zurück und Orm wirft euch etwas vor die Füße. Was ihr zunächst für einen Ast haltet, stellt sich als menschlicher Arm heraus. Er hält noch ein stumpfes Fleischermesser umklammert.
Während eure Mägen etwas rebellieren, beugt sich Raylania herunter, um ihn zu untersuchen. “Am Gelenk ausgerissen,” gibt sie euch zu wissen. “War da noch mehr?” Hedwig wiegt den Kopf. “Blut. Reichlich. Zu viel für eine Person. Der Arm lag etwas weiter entfernt im Gebüsch. Keine weiteren Leichenteile.”
Raylania nickt dazu und schnauft: “Mir kommen leise Zweifel an den Theorien, die ohne Monster auskommen. Es könnte noch immer ein Bär sein… ein sehr großer Bär. Aber das sieht definitiv nicht wie das Werk von Menschen aus.” 

 

Vorsichtig seht ihr euch trotzdem noch ein wenig weiter in der unmittelbaren Umgebung des Holzfällerlagers um, könnt allerdings wirklich keine weiteren Spuren entdecken. Zwar ist hier und da das Unterholz beschädigt, aber ihr könnt keine Fährte aufnehmen.

So beschließt ihr, dem Fluss weiter zu folgen. Von nun an haltet ihr jedoch stets eure Waffen bereit und redet so wenig wie möglich. Einige Stunden wandert ihr angespannt durch den Wald, stets dem Fluss folgend, bis Orm einen Arm hebt und ihr abrupt stehen bleibt.

Vor euch klart der Wald auf und gibt im langsam schwächer werdenden Licht des Abends die Sicht auf eine weitere Lichtung am Ufer frei. Trotz der gelegentlichen Schneehaufen und des gefrorenen Bodens blühen ganze Reihen euch unbekannter Blumen hier in vielfarbiger Pracht zwischen einigen mannshohen Steinen, die in merkwürdigen Formationen angeordnet sind. Die Seltsamkeit dieses Ortes wird nur noch von den Wesen übertroffen, die sich auf dem freien Feld zwischen den hohen Steinen und dem Fluss gegenüber stehen. 

Auf den allerersten Blick sieht es es fast aus, als hätte ein Rudel großer Wölfe einen wilden Schimmelhengst in die Enge getrieben und würde sich zähnefletschend dazu bereit machen, ihn zu zerfleischen.
Als ihr euch in der Deckung der großen Steine jedoch nur ein wenig nähert, bricht dieses Bild aber schnell in sich zusammen. Die sind definitiv zu groß für einfache Wildtiere und laufen nicht auf allen Vieren sondern mit hohem Buckel nach vorne gelehnt. In ihrem grau-schwarzen Fell hängen einzelne Stofffetzen und ihre Vorderbeine sind eher wie humanoide Arme mit langen, scharfen Klauen. Sie fletschen die weißen Zähne und Speichel tropft heraus. Allerdings stehen sie mit dem Rücken zum Fluss, zur rechten flankiert von einigen Felsen. Und sie scheinen außerordentlich zögerlich, das “Pferd” anzugreifen, welches ihnen auf der einzig freien Seite gegenüber steht. Je näher ihr euch heran schleicht, desto eher wirkt es, als wären diese Wolfskreaturen selbst diejenigen, die hier in die in die Enge getrieben wurden. Dann könnt ihr endlich einen besseren Blick auf ihren Gegner erhaschen. Das weiße Wesen, welches ihr in der Ferne für einen stattlichen Schimmel gehalten habt, strahlt einen gasigen, bleichen Schimmer ab. Seine kleinen Augen leuchten grünlich in der Dunkelheit. Das lang gezogene Maul offenbart eine Reihe scharfer Reißzähne und von den Schultern über den Rücken bis zu den Hinterbeinen gehend weicht das Fell einer Schicht weißlich-silberner Schuppen. In der silbernen, glatten Mähne und dem  hin und her peitschendem Schweif hängt verfangener Seetang. Das Wesen ist jedoch nicht ganz unversehrt: Eine lange Schnittwunde ziert seine rechte Flanke.
Gespannt beobachtet ihr das Geschehen. Das Pferdewesen macht einen entschlossenen Schritt auf die Wolfsgestalten zu, da macht eine von ihnen einen gewaltigen Sätze nach vorne und reißt geifernd die Kiefer auf um zuzubeißen. Das Pferdewesen jedoch bäumt sich im letzten Moment auf und fährt dann mit den Vorderhufen auf den Kopf des Wolfes nieder. Dieser geht von der enormen Kraft seines Gegners sofort zu Boden und schon schlägt der “Schimmel” seine eigenen Fänge in den Hals des Wolfs.

Überrascht betrachtet ihr, wie aus der Wolfsgestalt langsam eine junge, nackte Frau wird, die blutig mit zertrümmertem Schädel am Boden liegen bleibt. Ihr habt es ganz offensichtlich wohl mit Werwölfen zu tun. Und auch das Pferdewesen kommt euch tief in eurer Erinnerung bekannt vor. Lumix flüstert es als erstes: “Ein Kelpie. Das ist der Wassergeist, nach dem wir suchen.”.

Dann springen auf einmal zwei der Wölfe gleichzeitig vor. Einer lenkt das Kelpie für einen Moment ab, wodurch es dem anderen gelingt, seine Reißzähne tief in den Hals des Kelpies zu treiben. Wütend bäumt dieses sich erneut auf, reißt den Werwolf an seinem Hals dabei in die Luft und schleudert ihn über die halbe Lichtung wo er jaulend auf einem Stein aufschlägt und regungslos liegen bleibt. Momente später liegt ein bärtiger Mann dort statt des Wolfes. Der zweite Angreifer kann nur knapp einem Hufschlag ausweichen und zieht sich wieder zu seinen Artgenossen zurück. Die beiden verbliebenen Wölfe weichen rückwärts bis an die Wasserkante des Flusses zurück, trauen sich aber offenbar nicht den Fluss zu betreten. Stattdessen knurren sie bedrohlich und warten auf eine weitere Gelegenheit zuzuschlagen. Der Wassergeist hat indes innegehalten. Zähe, bernsteinfarbene Flüssigkeit tritt aus seinem Hals aus und es hat sichtliche Schmerzen. Ein Zittern geht durch den weißen Leib und kurz wirkt es so, als würde es kippen… doch sofort steht es wieder fest auf den Hufen und wirkt noch wütender und entschlossener als zuvor.
Dann hört ihr auf einmal etwas - nicht physisch im Wind - sondern in euren Köpfen. Es klingt wie die Stimme einer alten, krächzenden Frau: “Helft mir. Ich bitte euch.” Ihr schaut euch an um euch zu vergewissern, dass es die anderen auch gehört haben. Alle nicken verunsichert. Ohne zu wissen warum, seid ihr euch sicher, die Bitte kam von dem Wassergeist. Doch es bleibt keine Zeit sich weiter abzustimmen. Die Wölfe haben das Zittern des Kelpies bemerkt und sehen ihre Chance. Immer noch vorsichtig und mit dem größtmöglichen Abstand versuchen Sie ihren Gegner von zwei Seiten zu umkreisen. Es ist unklar ob die Werwölfe wirklich angreifen wollen, oder ob sie nur auf eine Chance zur Flucht hoffen. Ihr habt auf jeden Fall nur wenige Sekunde, euch zu entscheiden, was ihr machen wollt, eh entweder die Wölfe oder das Kelpie zuschlagen werden.

KAPITEL 4

Derart unvermittelt passiert es, dass das Wesen mit euch Kontakt aufnimmt, euch sogar um Hilfe bittet, dass ihr zuerst nur erstarrt stehen bleibt und nicht so recht wisst, was ihr davon halten sollt. Euren geistigen Blick instinktiv nach Innen wendend, nehmt ihr die Kraft, die ihr alle bereits mehrfach in euch spürtet, zusammen und versucht dem Kelpie in eurem Geist zu antworten. Ihr greift aus, werdet jedoch statt von Worten von einer Welle der Verzweiflung erfasst, in die sich rasch Wut mischt. Wut auf euch, dass ihr euch gerade den jetzigen Zeitpunkt von Leben und Tod aussucht, um ausgerechnet ein Gespräch zu beginnen.

Doch versunken in die Anstrengung der Konzentration könnt ihr nichts weiter tun, als die beiden Werwölfe über den Wassergeist herfallen. Sonderbare Bilder fahren euch blitzartig in die Köpfe. Das gemeinsame wirken von Magie und die geistige Verbindung, die ihr aufgenommen habt, scheint einige Barrieren in euch einzureißen und ihr seht einzelne, weitere Bilder aus euren Erinnerungen. Raylania, die mit Kinderaugen an einem braunen Pferd emporblickt und es vorsichtig streichelt. Khay, wie sie mit einem geschickten Schnitt eines kleinen Messers einen Beutel vom Gürtel eines Mannes schneidet. Orm, wie er im dichten Wald auf einen kolossalen Hirsch anlegt. Diese und weitere Bilder teilt ihr und das eindringen der fremden Eindrücke beschäftigt euch derart, dass ihr die Verbindung auch nicht so schnell abbrechen könnt. Zeit verliert jede Bedeutung, vergeht mal schneller, mal langsamer. Den Kampf um euch herum nehmt ihr nur beiläufig noch wahr.

Das Kelpie richtet die Wut auf seine Gegner und trotz der Verletzung kann er dem ersten Angriff gerade so ausweichen. Wie ein Tellereisen schnappen die mächtigen Kiefer des Werwolfes in der Luft zusammen, wo sich noch einen Moment zuvor der Schädel des Kelpies befand. Dieser bäumt sich zu einem Gegenangriff auf, doch auch seine Hufen fahren nur ungehindert durch die Luft und lassen beim Auftreffen auf den Boden einen Stein in hunderte kleine Splitter zerplatzen.

Wieder und wieder gehen die drei Wesen aufeinander los, keines kann aber einen entscheidenden Schlag anbringen. Ihr haltet die geistige Verbindung zum Kelpie weiterhin aufrecht. Da ihr ohnehin nicht wüsstet, warum ihr für irgendein Monster, sei es Kelpie oder Werwolf, euer Leben riskieren solltet, könnt ihr auf diesem Wege vielleicht irgendetwas in Erfahrung bringen. Das geistige Band, das euch zusammen hält und welches ihr zum Kelpie ausstrecktet, ermöglicht es euch allerdings nicht, Bilder von dem Wesen zu empfangen oder gar ein Gespräch zu beginnen und auch die wenigen Gefühle, die euch entgegen schwappen, drehen sich um den Kampf. In einer kurzen Kampfpause, in der die Wölfe einen langsamen Kreis um ihren Gegner schlagen, blickt der Wassergeist noch einmal zu euch herüber. Obwohl der Blick kaum mehr ist, als ein kurzes Nicken des Kopfes in eure Richtung, spürt ihr, wie an eurem Inneren gezogen wird. So, als würde man sich gegen eine verschlossene Tür stemmen, die unvermittelt geöffnet wird, stürzt ihr mit euren Gedanken geradezu auf das Kelpie zu. Das Wesen, dass sich zuvor noch dagegen wehrte, dass ihr in seinen Verstand eindringt, hat es sich anders überlegt und beschlossen, eure Kraft zu nutzen.

Eure Körper verharren an der gleichen Stelle, doch aus der Sicht des Wassergeistes ist dieser Kampf nun auch zu dem Euren geworden. Ihr spürt, dass ihr nun auch mit dem Kelpie verbunden seid und dass euer Wohl von dem seinen verbunden ist. Nun ziehen auch Eindrücke und Erinnerungen des Wesens an euch vorbei, die jedoch aus derart fremdartigen Bildern bestehen, dass ihr sie kaum beschreiben könnt. Die Welt besteht nur aus Konturen, die von Strömen und Wirbeln in Farben durchzogen sind, die keinen Namen haben. Der Wind schmeckt nach Rosenduft und der Klang einer Amsel erinnert an die Zahl Neun.

Und doch habt ihr klar vor Augen, dass das Wesen, dass ihr nicht sterben wollt und daraus zieht das Kelpie neue Kraft. Ihr spürt, wie sich sogar die Wunde an seinem Hals wieder ein wenig schließt, fühlt dafür aber einiges an eigenen Schmerzen.

Die beiden Wölfe haben sich für einen gemeinsamen Angriff entschieden. Von beiden Seiten stürmen sie gleichzeitig auf das Kelpie, auf euch, zu. Im letzten Moment weicht das Pferdewesen aus, so dass die beiden Wölfe in einem Wirbel von Klauen und Zähnen ineinander fallen. Etwas benommen erheben sie sich gerade wieder, als das Kelpie sich schon um die eigene Achse gedreht hat und einen der Wölfe mit einem kräftigen Tritt in den Fluss befördert, von dem er bewusstlos davongetrieben wird. Der letzte Werwolf sieht sich in einer aussichtslosen Lage und beschließt, sein Heil in der Flucht zu suchen. Das Kelpie kann in seinem verletzten Zustand dem Fliehenden nur noch hinterher blicken. Kaum ist der letzte Gegner im Wald verschwunden, werdet ihr wieder recht unsanft in eure eigenen Körper katapultiert. Nach einem kurzen Moment der Orientierung seht ihr, wie das Kelpie auf dem Boden zusammensackt. 

Warum habt ihr das getan?”, presst die Gestalt schwach hervor, deren Wunden wieder aufgerissen sind. “Warum habt ihr mir nicht geholfen, als ich euch darum bat?” - Hedwig, ist die erste, die antwortet: “Wir wussten nicht, ob wir dir trauen konnten, Geist. Immerhin wurden wir von den Bewohnern Skjariges angeheuert, euch zu erlegen, damit ihr die Stadt in Ruhe lasst.” Das Wesen blickt euch verständnislos an, scheint dann aber zu begreifen. “Nein, ich habe die Stadt nicht angegriffen. Ganz im Gegenteil, wir Kelpies waren vor langer Zeit die Beschützer des Flusses und seiner Bewohner. Doch dann passierte etwas mit dieser Gegend. Die Magie verblasste und mit ihr viele Wesen, die von ihr abhängig waren. Auch wir Kelpies wurden immer weniger und je seltener sie uns sahen, desto unheimlicher wurden wir den Menschen, Elfen und Zwergen. Schließlich bezeichneten uns als Monster, brachten uns um oder verjagten uns. Doch ich kehrte vor einigen Monaten zurück, weil ich spürte, die altes Übel erneut in diese Gegend gerufen wurde. Allerdings kam ich zu spät, das Böse war bereits zu stark geworden. Diese Werwesen, die mich bekämpften. Etwas war sonderbar an ihnen. Anders als früher. Künstlich.” Das Kelpie spricht mit zunehmend schwächerer Stimme. “Geht weiter den Fluss hinauf. Ihr findet eine Siedlung. Ich spüre, dass dort etwas ist, das euch Antworten geben wird. Vertreibt … das … Übel.” Mit diesen Worten erstarrt das Wesen und löst sich in dünne Fäden weißen Lichts auf, die in Richtung des Flusses schweben und wie Gischt darauf in Richtung Meer ziehen.

 

Die Worte des Kelpies lasten schwer auf euch, als ihr dem Fluss weiter folgt. Hättet ihr das Wesen retten können? Und könnt ihr diesem Wesen wirklich trauen?
Warum hätte es uns im Moment seines Todes belügen sollen?”, fragte Hedwig. “Ich glaube auch, wir sollten und in Cumnor einmal umhören, bevor wir uns zu früh freuen,” stimmt Lumix zu. “Und außerdem schaffen wir es vor Anbruch der Dunkelheit, der Karte nach, eher in dieses Dorf als ganz bis zurück zur Stadt. Es ist nur wenige Wegstunden voraus. Und mir wäre ein Krug Bier und etwas zu essen jetzt ganz recht.” ergänzt Khay, worauf alle zustimmend nicken.

Ihr marschiert immer weiter am Fluss entlang. Doch obwohl ihr euch ziemlich beeilt erreicht ihr das Dorf nicht eh die Sonne untergeht und die Nacht hereinbricht. Ein heller Vollmond geht auf, wird jedoch nur allzu oft von dicken Wolken verdeckt, die drohend ihre Schatten über das Land werfen. Auch wenn ihr sie jetzt nicht mehr sehen könnt, hört ihr noch immer die Krähenschwärme umherziehen. Bald stolpert ihr in schwarzer Nacht durch den Wald, den Fluss und den matten Schein eurer Fackeln als einzige Orientierung. Jetzt in der Dunkelheit wirkt der erschreckend stille Wald noch bedrohlicher und fremder als noch am Tage. Ihr haltet eure Waffen bereit und achtet auf jedes Geräusch in der Dunkelheit.

Zum Glück müsst ihr nicht mehr lange in der Nacht marschieren. Noch vor Mitternacht lichtet sich der Wald wieder und gibt den Blick auf mehrere kultivierte Felder frei. Ein befestigter Pfad führt euch nun weg vom Fluss, vorbei an gefrorenen Äckern, auf denen im Sommer Feldfrüchte gezogen werden und an Wiesen, auf denen leise grunzende Tiere, eng aneinander gedrängt schlummern, um sich vor der Kälte zu schützen. Nicht allzu fern seht ihr in einer breiten Landsenke die beleuchteten Hütten des Dorfes Cumnor. 

Nach den Berichten aus Skjarige und eurer kürzlichen Begegnung hattet ihr eigentlich damit gerechnet, ein kleines, trostloses Dorf vorzufinden. So seid ihr besonders überrascht, bereits aus einiger Entfernung das belebte Gewirr zahlreicher Stimmen zu hören, unter die sich auch Lachen und freudige Kinder Rufe mischen. Zudem erstrahlt die Mitte des Dorfes im hellen Licht zahlreicher großer Feuer, die immer wieder zwischen den schemenhaften Umrissen der einzelnen Häuser hervorscheinen. Für ein abgelegenes Walddorf ist diese Siedlung doch erstaunlich groß. Der Pfad verbreitert sich zu einem Pflasterweg, der zwischen schlichten, aber gut gefertigten Häusern aus Holz und Lehm ins Innere des Dorfes führt.

Bis auf einen paar spärlich verteilte, unbemannte Wachtürme und einen moorigen Graben hat das Dorf keinerlei Verteidigungsanlagen gegen Banditen oder wilde Tiere. Nicht einmal eine Wache steht am Dorfeingang. Alle Bewohner scheinen sich im Inneren zu vergnügen.

Als ihr an den ersten Häusern vorbei geht, fallen euch mehrere mannshohe Menhire auf, die scheinbar in einem Kreis um das Dorf herum verteilt sind. Einer der Hinkelsteine befindet sich direkt neben dem Weg, so dass ihr ihn genauer in Augenschein nehmen könnt. Ein Tuch ist um den breiten Stein gebunden. Grobes Leinen, mit zahlreichen, ineinander verwobenen Linien in allen möglichen Farben bemalt. In den vier Ecken des Tuches findet sich das Symbol eines Schmiedehammers.
Lumix kratzt sich kurz an der Stirn und betrachtet das Muster etwas genauer. “Kommen euch einige dieser Muster nicht auch seltsam bekannt vor? Ich könnte schwören, ich erinnere mich an einige von ihnen.”
Raylania nickt zustimmend. “Ja, ich kenne sie auch. Sie wirken irgendwie vertraut… ” meint Raylania und verzieht dann das Gesicht “... aber nicht im guten Sinne. Mir dreht sich ein wenig der Magen um, je länger ich sie anschaue. Ich weiß nur nicht wieso.” Aus dem verwirrenden Muster könnt ihr euch allerdings keinen Reim machen, bis Orm auf einmal auf Hedwigs Stirn zeigt. “Seht ihr die Ähnlichkeit wirklich nicht? Diese Zeichen haben genau den selben Stil wie die Tattoos auf unseren Köpfen.
Ihr fasst euch instinktiv an die Stirn. Jetzt erkennt ihr es alle. Doch beim besten Willen fällt euch einfach nicht mehr dazu ein. Ein schwarzer Schleier hängt undurchdringlich über euren Erinnerungen. Kurze Zeit schweigt ihr, bis Raylania nachdenklich das Wort erhebt: “Sehr sonderbar, das wir solche Zeichen erst hier sehen. Dazu hat uns niemand zuvor darauf hingewiesen. Kennt man so etwas in Skjarige nicht? Das kann doch keine Sache sein, die es nur in diesem Dorf gibt... oder doch?” Lumix brummt: “Denkt an die Worte des Kelpies. Vielleicht sollten wir unsere Zeichen erst einmal für uns behalten.

Alle sind sich einig. Ihr zieht euch die Kapuzen eurer Umhänge etwas weiter über den Kopf. Lumix kämmt sich seine lange Mähne zwischen seinen Hörnern hindurch bis tief ins Gesicht. Er sieht so noch merkwürdiger aus als sonst, aber das Zeichen ist verdeckt.

 

Misstrauisch, aber durch das rege Treiben neugierig gemacht, geht ihr tiefer in das Dorf hinein. Stehen die Häuser zunächst weiter auseinander, so kann sich das Innere der Siedlung schon beinahe mit einer Stadt vergleichen. Sogar erste Häuser aus Stein wurden hier gebaut, die dichter beieinander stehen. Über den Wegen zwischen den Häusern hängen bunte Wimpel und Girlanden, die mit Schnitzereien, bemalten Holztäfelchen oder sogar Früchten und Gebäck behangen sind. Lose Fäden zeugen davon, dass sich einige der Bewohner bereits hieran bedient haben. Auch die Türen der meisten Häuser sind mit bunten Symbolen oder kleinen Sprüchen verziert, jedoch hastiger und weniger kunstvoll als auf den Steinen am Rande des Dorfes. 

Bis auf einige herumtollendene Kinder begegnet keiner Menschenseele, während ihr euch durch das Dorf bewegt. Als ihr den riesigen Dorfplatz erreicht, erklärt sich warum. Alle Bewohner scheinen sich dort versammelt zu haben. Dutzende, gar hunderte Tische sind zusammengetragen und in langen Reihen aufgestellt worden, an denen überwiegend Menschen, Zwerge und sogar einige Halblinge sitzen, essen, trinken und miteinander reden und lachen. Andere Dorfbewohner stehen in kleinen Gruppen um Biertische oder Schaubuden herum. An den Seiten des Platzes herum wurden zahlreiche Buden und Kochstellen aufgebaut, von denen es verführerisch duftet. In langen Schlangen warten die Leute vor diesen Ständen darauf an die Reihe zu kommen. Vereinzelt spielen sogar einige Barden auf den Tischen und werden gröhlend von den Bürgern begleitet.

Die meisten Leute hier tragen schlichte, ländliche Kleidung. Auf einem erhöhten Podest am Kopf des Platzes wurde ein besonders großer Tisch aufgebaut, an dem in der Mitte eine weißhaarige, aber vitale Frau in hellgrünen, mit Nerz benähten Adelskleidern sitzt und immer wieder lachend mit ihrem Humpen verschiedenen Dorfbewohnern zuprostet. Zu ihrer Linken sitzt ein mit Goldketten behangener Zwerg, dessen poliertes Kettenhemd im Licht der zahlreichen Fackeln und Feuer funkelt. Sein brauner Bart reicht fast bis zum Boden und er scheint sich köstlich zu amüsieren, als er versucht, sich eine ganze Gänsekeule in den Hals zu schieben. Zur Rechten der Weißhaarigen schließlich sitzt ein hoch gewachsener, dürrer Mann in einer türkisfarbenen, mit silbernen Fäden verzierten Robe. Seine muskulösen Arme sind trotz der Kälte frei. Auf dem ansonsten scheinbar kahlen Kopf trägt er eine kleine Haube in der Farbe seiner Robe.. Immer wieder erhebt jemand aus der Menge seinen Becher in die Richtung des Mannes und ruft etwas, woraufhin er ruhig aber wohlwollend den Ruf erwidert.

Während ihr die Eindrücke auf euch wirken lasst, hat sich euch ein dicker Zwerg genähert. Er trägt einen einfachen, braunen Mantel, doch ein Ring mit einem leuchtenden roten Stein am Finger zeugt durchaus von Wohlstand. Er wischt sich kurz mit einer Hand zerzauste rote Haare aus dem Gesicht und spricht euch mit einem leichten Lallen in der Stimme an: “Heda, ihr! Ein frohes Winterfest wünsche ich euch! Auch fremd hier, was? Da seid ihr genau zur rechten Zeit gekommen, das kann ich euch sagen.” Er will einen Schluck aus seinem Humpen nehmen, schaut verdutzt, blickt hinein und sieht euch wieder an. “Hoppla, es sieht so aus, als bräuchte ich Nachschub. Kommt mit, den Würzwein hier müsst ihr probieren!

In der Hoffnung, vielleicht einige Antworten zu bekommen, folgt ihr dem Zwerg zu einem der Stände. Der Zwerg drückt jedem von euch einen bereitstehenden Humpen mit warmen, wohlriechenden Wein in die Hand und legt einige Münzen daneben. “Aber die nächste Runde geht auf euch!”, sagt er mit einem Augenzwinkern.

Vielen Dank!”, antwortet Raylania schließlich “‘Auch fremd’, sagtet Ihr? Dann kommt Ihr also auch nicht aus dem Dorf?” Der Zwerg lacht zur Antwort. “Nein, nein. Einige von uns haben sich zwar mittlerweile hier niedergelassen, aber ich arbeite und lebe wie fast jeder gute Zwerg noch unter dem Berg - eine ganze Strecker weit weg. Aber das Winterfest ist die Reise wert und unsere Freundschaft zu den Menschen hier tut das auch gut. Das da oben ist übrigens unser Hetmann.” Er zeigt auf den Zwerg auf dem Podest, der sich mittlerweile schon über den nächsten Vogel hermacht. “Er hat eine Wette verloren und musste den gesamten Stollen Vier heute einladen. Bereut er aber bestimmt nicht, wie es aussieht. Dieses Jahr ist das Winterfest außergewöhnlich beeindruckend.

Darüber wundern wir uns ein wenig,” gesteht Hedwig leise “Seht Ihr, wir kommen von der Küste, nicht weit von hier sogar. Dort leben die Menschen in Furcht vor Flussgeistern und Monstern des Waldes. Und hier vergnügen sich alle, als wäre die Welt frei von Sorgen.

Hah, Skjarige. Die sind nur sauer, dass sie nicht eingeladen wurden! Sollen die sich doch einfach nen eigenen Magier suchen!”, entfährt es barsch einer jungen Frau neben euch, die das Gespräch scheinbar mit angehört hat. “Das beste, was uns je passiert ist.” Sie wirkt schon sehr angetrunken, die braunen Haare hängen strähnig herab und mehrere rote Flecken bedecken den grauen Wams, den sie trägt. Dennoch wirkt sie halbwegs freundlich. Raylania wendet sich mit ihrem Humpen zu ihr um und lächelt gestellt, aber überzeugend. “Die Skjariger sind ein seltsamer Haufen, da habt ihr recht. Aber ein Magier?” fragt sie dann völlig blauäugig tuend “Davon sagte man uns nichts. Mögt ihr von ihm erzählen?” Die Betrunkene grunzt zufrieden und schaut zu dem Podest: “Er tauchte vor weniger als einem Jahr hier auf und versprach uns Schutz - für eine kleine Gegenleistung versteht sich. Die Dorfvogtin wollte ihn zuerst fortjagen, bah! Aber das hier ist nur ein kleines Dorf. Wölfe, Bären, Kobolde, Banditen. Der letzte Winter war hart. Zum Glück hat sie es sich anders überlegt. Seitdem: Nichts mehr. Ein paar Fahnen aufgestellt, ein paar Amulette verteilt und ZACK!: Schluss mit wilden Tieren, die uns das Vieh stehlen. Schluss mit diesen verdammten Kobolden und allen anderen Monstern, die versuchen, ins Dorf einzudringen. Nichts! War natürlich nicht umsonst… wirklich nicht.” Die junge Frau wird kurz ruhiger und besonnener… dann rülpst sie laut und grinst wieder “Aber was tut man nicht für ein sorgenfreies Leben, nicht wahr?! Und jetzt, entschuldigt mich. Ich muss pissen.

Interessant … vielleicht sollten wir uns einmal mit ihm unterhalten?” sagt Hedwig und schaut auch zu dem blau gekleideten Glatzkopf. Ihr entschuldigt euch bei dem Zwerg, der euch nur wohlwollend verabschiedet.

Lumix bahnt euch problemlos einen Weg durch die feiernde Menge, bis ihr schließlich vor dem Podest stehen bleibt. Eure ersten Versuche, mit dem Magier oder der Dorfältesten zu reden werden von der Lautstärke der Menge erstickt. Doch auffällig wie ihr seid winkt euch die Älteste bald näher. “Vielen Dank,” beginnt Hedwig zu sprechen, “und … äh … ein frohes Winterfest!” “Euch ebenso,” antwortet die Frau neutralen Tones, während der Magier euch sehr interessiert mustert. Nur der Hetmann der Zwerge ignoriert euch zugunsten eines Puddings vollständig. “Was gibt es denn so dringendes, dass es nicht bis nach der Feier warten kann?” Der Ton der Vogtin wird nun leicht genervt und ihre Gesichtszüge wirken streng, während ihre Finger mit dem Amulett um ihren Hals spielen. Ihr Blick gleitet immer wieder auf eure Waffen. Sie scheint sichtlich ein Problem damit zu haben, dass ihr sie hier zwischen all den Leuten so offen zur Schau stellt.
Wir kommen, weil wir von einem hilfsbereiten Magier hörten, der sich in dieser Gegend aufhalten soll,” spricht Hedwig und schaut dabei zu dem Mann in Blau, der euch interessiert ansieht und gedankenverloren mit seinem linken Zeigefinger die Gravuren auf einem beeindruckenden, silbrig glänzenden Schmiedehammer entlangfährt, der vor ihm auf dem Tisch liegt. Khay schnalzt bei dem Anblick des meisterlich gefertigten Stückes unfreiwillig mit der Zunge, was jedoch im allgemeinen Lärm untergeht. “In einer Stadt, nicht weit von hier, die von vielen Übeln heimgesucht wird, könnten seine Dienste gut gebraucht werden.

Die Dorfälteste blickt sichtlich erfreut zu dem Mann, dessen Lächeln noch ein wenig breiter geworden ist. Er starrt euch sonderbar aus seinen eisblauen Augen an, in denen ihr keine Spur von Humor findet. “Seht Ihr, Tidopror? Eure großen Taten haben sich bereits herumgesprochen.” Wieder zu euch gewandt fährt sie dann wieder etwas ernster fort: “Aber ist das wirklich so dringend, dass es nicht noch etwas warten kann? Dies hier ist ein friedliches Fest. Kein Tag für Sorgen.

Eine Gruppe reichlich betrunkener Zwerge kommt heran. Sie haben einen langen, kitschigen Blumenkranz bei sich und wollen offenbar zu ihrem Hetmann. Raylania steht ihnen im Weg und die heiteren, taumelnden Bartträger stoßen sie einfach beiseite - deutlich schroffer als wohl beabsichtigt. Ihre Kaputze fällt nach hinten. Sofort zieht sie sie sich wieder über den Kopf, aber es reichte dem Magier, um einen Blick auf ihre Stirn zu werfen. Kurz treffen sich die Blicke der Amazone und des Magiers. Die anderen haben davon aber alle nichts bemerkt und Hedwig spricht weiter: “Es ist wirklich dringend. Wir sind weit gereist. Würdet ihr euch nur einen kurzen Moment Zeit nehmen, um mit uns zu sprechen?” Der Magier erhebt sich würdevoll. “Aber sicher doch.” Seine Stimme ist tief und sehr ruhig “Am besten sprechen wir in einer etwas leiseren Umgebung. Lasst mich nur kurz meinen Mantel holen.” Er wendet sich ab und steigt über die Treppe auf der anderen Seite von dem Podest eh er sich in der Kälte die Arme reibt. “Ich bin gleich wieder zurück.
Die Vogtin schaut dem Magier noch einen Moment nach und schaut dann verhalten kichernd zu, wie der Hetmann von seinen Kameraden feierlich mit dem Blumenkranz geschmückt wird.
Ihr wartet.

Während ihr wartet, steigt die Lautstärke in der Menge auf einmal zunehmend an. Der Hetmann, eben noch belustigt und fröhlich, hat sichtlich keine Lust mit Blumen geschmückt zu werden. Die heiteren Zwerge wollen es trotzdem und aus dem brüderlichen Necken wird ernster Streit. Die Vogtin blafft die Zwerge in unnötig barschem Ton an. Auch an den Tischen um euch herum kippt die Stimmung. Wütende Rufe klingen überall aus der eben noch feiernden Masse. Ihr hört Geschirr zerbrechen. Dann kippt neben euch ein zorniger Bauer den ganzen Tisch um, weil ihm eine Bedienung Bier über den Kopf geschüttet hat. Hedwig wehrt mit ihrem Schild einen steinernen Bierkrug ab, der sie sonst am Kopf getroffen hätte. Khai und Orm werden fast in die Prügelei der Zwerge mit ihrem Hetmann auf dem Podest hineingezogen. Der Blumenkranz färbt sich rot, als ein Bärtiger ihn der Vogtin ins Gesicht drischt. Ihr greift an eure Waffen, lasst sie aber in den Halftern - für den Moment.
Als ihr euch umdreht, seht ihr Bierkrüge in allen Richtungen über den Platz fliegen. Einige der Menschen und Zwerge fangen an, mit Fäusten, abgebrochenen Flaschen und Stühlen aufeinander loszugehen und sich wild anzubrüllen. Eine Gruppe Halblinge tritt auf einen am Boden liegenden Mann ein. Immer mehr Bürger verfallen offenbar in tosende Wut und plötzlich findet ihr euch im Zentrum einer ausgewachsenen und hemmungslosen Massenschlägerei wieder, aus der kein sicherer Weg herausführt. 

Spürt ihr das auch?”, fragt Lumix, der seinen Stab schützend vor sich hält. “Ja,” antwortet Hedwig “Hier ist mächtige Schwarze Magie am Werk. Die Luft ist voll davon und sie wird immer stärker. Das hier wird böse Enden.

 

KAPITEL 5

Aber was können wir tun?”, sagt Raylania zweifelnd und sieht euch nacheinander an, während ihr weiterhin verschiedenen Wurfgeschossen ausweicht und froh darüber seid, dass die aufgebrachte Menge nicht versucht, auf das Podest vorzudringen - noch nicht, wie ihr annehmen müsst. “Für mich ist diese Sache mit der Magie noch vollkommen neu.” - “Ich bin mir auch nicht wirklich sicher, was hier zu machen ist,” fügt Lumix hinzu. “Bei den Elementen fühle ich mich sicherer aufgehoben.

Dann lasst uns erst einmal von hier verschwinden und hoffen, dass sie sich von selbst wieder beruhigen und nicht gleich das Dorf niederbrennen,” gibt Hedwig ihre Meinung kund, der ihr euch gerne anschließt, nachdem ihr einigen geworfenen Essensresten ausweichen müsst. Das Podest steht zwar eher am Rande des Platzes, doch seid ihr von allen Seiten von Dorfbewohnern umgeben. Diese scheinen zwar eher miteinander zu streiten, als auf euch zu achten - tatsächlich könnt ihr anhand der Wortfetzen erkennen, dass allerlei alte Streitigkeiten mit einem Mal wieder aufgebrochen zu sein scheinen - aber dennoch rechnet ihr damit, nicht einfach so hindurch zu kommen.

Von der Dorfältesten ist auch keine Hilfe zu erwarten, sie hat mittlerweile einen Streit mit dem Hetmann vom Zaun gebrochen, bei dem sich die beiden glücklicherweise aber nur ankeifen. Als Khay ihre Dolche ziehen will, hält Hedwig sie zurück. “Keiner von denen scheint bewaffnet zu sein. Und mit Sicherheit ist es das Werk des Magiers. Also sollten wir versuchen, niemanden umzubringen.” Etwas widerwillig, aber mit einem verständigen Nicken lässt Khay die Waffen stecken.

Also gut,” sagt Raylania. “Lumix, Orm, wenn ich bitten darf.” Tatsächlich schreiten die beiden größten der Gruppe voran und teilen die Menge vor sich. Schon nach wenigen Schritten hört ihr Rufe wie “He! Ich gebe dir einen Taler, wenn du meinen Pflug ziehst, damit mein Ochse sich mal ausruhen kann!” oder ein eher allgemeines “Die Fremden wollen bestimmt nur unser Land klauen!” und Menschen, Zwerge und einige Elfen in eurer Umgebung werden mit jedem eurer Schritte über den großen Dorfplatz feindseliger. Einige Arme Strecken sich nach euch aus und auch für eure beiden Wellenbrecher wird das Vorankommen immer schwieriger. Schritt um Schritt kämpft ihr euch vorwärts, schüttelt ungebetene Hände ab, wobei Raylania auch den einen oder anderen Griff anwendet, woraufhin die Grapscher schmerzerfüllt aufschreien. Abgebrochene Tischbeine und anderes Holz werden als Knüppel gegen euch geschwungen, von denen Hedwig einige mit ihrem Schild abwehren kann, während euch andere schmerzhaft treffen. Noch gefährlicher wird es allerdings, als einige Halbstarke mit Messern auf euch losgehen. Im Gedränge könnt ihr kaum ausweichen oder eine eurer Waffen vernünftig führen. Lumix benutzt die kleine Sichel, die er sich für das Sammeln von Kräutern aus Skjarige mitgenommen hat als provisorische Waffe, während Raylania sich auf ihr Nahkampftalent verlässt und Orm einen Pfeil als Stichwaffe nutzt. Als die Angriffe immer stärker werden, stecht auch ihr ohne Rücksicht auf die Menge ein, um endlich aus ihr zu entkommen.

Schließlich erreicht ihr das Ende des Platzes, erhaltet wieder etwas Raum und beginnt, übergangslos zu rennen. Einige aus der Menge verfolgen euch und fluchen euch unschöne Parolen hinterher. Sie sind jedoch derart angetrunken, dass sie bald aufgeben. Ihr rennt aus dem Dorf heraus und versteckt euch in einem nahen Gebüsch, bis ihr sicher seid, nicht weiter verfolgt zu werden.

Ich schwöre, dass ich in Zukunft einen großen Bogen um jede noch so freundlich scheinende Siedlung mache,” ätzt Khay. “Sie können nichts dafür, vergessen?” erwidert Lumix und Orm nickt zustimmend. Er macht eine Bewegung mit den Fingern, als würde er Sand von einer Hand in die andere Schütten. - “Genau, wir sollten ein wenig abwarten,” hat Raylania die Geste richtig erraten. “Und dann sollten wir nachsehen, ob wir irgendwie den Magier auftreiben können. Er hat einiges zu erklären.

So wartet ihr, bis die Geräusche aus dem Dorf nachlassen und schließlich fast ganz verstummen. Mit mulmigen Gefühl geht ihr zurück in das Dorf, werdet aber nicht angegriffen. Die Dorfbewohner sehen sich verzagt an, in den meisten Blicken liegt Unverständnis über das eigene Verhalten. Einigen, die ernsthaftere Verletzungen davon trugen, wird rasch zu Hilfe geeilt.

 

Die Älteste reibt sich verzweifelt und verwundert über den Kopf und blickt auf die Menge, in der die Dorfbewohner langsam aus einer Trance zu erwachen scheinen. Den zu Boden gefallenen wird aufgeholfen, einige Schultern werden entschuldigend geklopft. Von der ausgelassenen Stimmung ist aber nichts mehr geblieben.  “Was war das nur?”, fragt sie unbestimmt. “So etwas habe ich ja noch nie erlebt. Einige kleine Streitereien, ja. Aber … .” - “Der Magier muss euch beeinflusst haben, um entkommen zu können,” antwortet Lumix, woraufhin die Frau ihn überrascht ansieht. “Und warum sollte er das tun?” Sie lässt den Blick über euch schweifen und sagt dann deutlich forscher. “Ihr! Dieser Mann ist als Wohltäter hier bekannt und geehrt. Dann taucht ihr auf und mit einem Mal gehen alle aufeinander los. Sagt schon! Was wolltet ihr dem Magier antun?

Die Frage überrascht euch zunächst. Dann aber beginnt Raylania zu sprechen: “Nichts, wir wollten ihn wirklich nur um Hilfe bitten. Aber ich habe die Vermutung, dass euer Magier nicht der gute Mensch ist, der er zu sein vorgibt. Als er dies hier sah,” sie streift ihre Kapuze zurück und offenbart das Zeichen, “machte er sich davon. Und sein Blick gefiel mir überhaupt nicht.” Die Älteste betrachtet einen Moment das Zeichen. “Ich weiß nicht, was es damit auf sich hat. Aber es erinnert mich ein wenig an die Formen, die uns der Magier auf unsere Amulette malt.” - “Wir haben eine berechtigte Vermutung, dass der Magier hinter den Angriffen auf Skjarige steckt. Und wenn er euch so wohlgesonnen ist, warum sollte er euch dann auf diese Art mißbrauchen? Wisst ihr, wo wir ihn finden können?”, sagt Hedwig. - “Leider nicht, er kommt regelmäßig in die Stadt, aber wo genau er wohnt, kann ich nicht sagen,” antwortet die Frau.

Aber ich,” schaltet sich der Hetmann der Zwerge von der Seite ein. “Zumindest habe ich eine Vermutung. Seht ihr, es gibt in den Bergen einige aufgegebene Minen. Unlängst sandte ich einen kleinen Trupp aus, der die Minen erkunden sollte, aber meine Späher meldeten mir, dass sie nicht zu einer gelangen konnte. Sonderbar schlechtes Wetter und angriffe von Wilden Tieren, sogar Monstern hätten sie zurückgedrängt. Ich war davon ausgegangen, dass ihnen auf einem Pass nur etwas zu viel Schnee lag und da sie ansonsten ausgezeichnete Neuigkeiten mitbrachten, ließ ich die Sache auf sich beruhen. Aber nun denke ich - was ist, wenn der Magier sich in der Mine niedergelassen hat.

Da könnte etwas dran sein,” stimmt Lumix zu, auch Orm und Khay nicken. “Könnt ihr uns sagen, wo diese Mine ist?” Hedwig legt eure Karte auf den Tisch und der Hetmann ruft einen weiteren Zwerg herbei, der sich einen Kohlestift aus dem Mantel zieht und mit überraschend kunstvollen Strichen die Berge und Pässe ergänzt. Er denkt noch einen Moment nach und ergänzt dann einige Punkte auf dem Berg, in dem sich die Mine befinden soll. “Wenn ich mich recht erinnere ist diese Mine in einem recht typischen Stil gegraben worden. Dann müssten ungefähr hier,” er weist auf die Punkte, “Lüftungseingänge sein. Mit ein wenig Glück findet ihr einen, durch den ihr unbemerkt eindringen könnt.”  Ihr dankt ihm und wendet euch wieder an die Dorfälteste. “Könne wir heute heute Nacht hier bleiben? Und uns morgen Pferde mieten? Wir können natürlich auch dafür zahlen.” - Sie blickt euch an und nickt. “Selbstverständlich. Die Feier scheint ohnehin vorbei zu sein.” Die Dorfbewohner und Gäste verlassen langsam den Platz, einige hinken oder halten sich Stofffetzen an den Kopf. “Es gibt ein Gasthaus, ich bringe euch hin. Vielleicht ist dort noch ein Platz frei. Entschuldigt uns, Herr Hetmann.” Der angesprochene sitzt grübelnd in seinem Stuhl und blickt auf, wobei ihm noch immer einige Fetzen des Blumenkranzes vom Kopf baumeln. “Natürlich. Und ihr, tut mir bitte einen Gefallen. Wenn ihr heil in die Mine und wieder heraus kommt, macht bitte auf dem Rückweg hier halt und berichtet, was ihr gesehen habt, damit ich weiß, ob es sich vielleicht lohnt, die Mine wieder zu eröffnen. Es wird euch selbstverständlich auch entgolten.” Ihr stimmt ein und macht euch auf den Weg zum Gasthaus, in dem ihr eine ruhige Nacht verbringen könnt. 

Am nächsten Morgen mietet ihr euch Pferde und ergänzt eure Ausrüstung um einige Kletterhaken, Seile, Fackeln und dickere Handschuhe, damit ihr für das Gebirge und eventuelle Klettereinlagen gewappnet seid und macht euch auf den Weg ins Gebirge. Die anfangs noch sanften Hügel werden zunehmend steiler, Mischwälder machen Kiefern und Lärchen Platz. Immer wieder findet ihr kleine Bäche, an denen ihr euren Durst stillen könnt und vereinzelt aus dem Dickicht am Wegesrand hervorschauende Geweihe verlocken dazu, eure Vorräte mit etwas frischem Fleisch zu ergänzen. Als Orm gegen Abend tatsächlich seinen Bogen nimmt und signalisiert, dass er jagen gehen möchte, hält Raylania ihn sanft zurück. “Vielleicht sollten wir besser zusammen bleiben. Wer weiß, was der Magier noch in der Hinterhand hat, falls er uns wirklich ans Leder will.” Orm wirkt ein wenig enttäuscht, nickt aber verständnisvoll. Seine Mine hellt sich etwas auf, als Lumix ihm etwas von seinen getrockneten Früchten abgibt, die er sich noch im Dorf gekauft hatte. Euren Lagerplatz habt ihr in einer kleinen Senke aufgeschlagen, die durch umstehende Felsen und Gestrüpp gut vor suchenden Blicken geschützt ist. Dennoch steht ihr vorsichtshalber lieber abwechselnd Wache und verbringt eine eher unruhige Nacht.

Trotz der schmerzenden Glieder könnt ihr euch am nächsten Tag frisch und bei wunderbar klarem Wetter weiter auf den Weg machen. Am Nachmittag schließlich verschwindet die Vegetation immer mehr und ihr müsst auf dem steinigen Weg sorgsam darauf achten, dass ihr die Schritte richtig setzt. Auch die Schneedecke scheint dichter zu werden, nur noch vereinzelt schauen die kurzen Enden von Gräsern und Sträuchern aus dem hellen Weiß hervor. Der weiche Boden und der zunehmend steilere Pfad verlangen eurer Ausdauer immer mehr ab. Als ihr am Abend allerdings in einer kleinen Höhle ankommt und den Weg zurückblickt, während Orm ein kleines Feuer aus unterwegs gesammelten Ästen entfacht, kommt ihr nicht umhin, den Ausblick, der sich euch in der herrlichen Luft bietet, zu bewundern. Nach Süden blickend meint ihr, beinahe Skjarige und das Meer in der Ferne erkennen zu können. Raylania teilt einige überaus leckere Plätzchen, mit denen sie ihren Proviant in Cumnor ergänzt hat, was die Stimmung noch zusätzlich hebt.

Nach einer ruhigen Nacht erwacht ihr allerdings mit einer unangenehmen Überraschung. Die klare Luft hat einem Schneetreiben Platz gemacht, in dem ihr kaum wenige Schritte weit sehen könnt. Ihr beschließt, euch zur Sicherheit aneinander zu binden, wofür die Seile, die ihr mitgebracht habt, mehr als ausreichend sind und so macht ihr euch mit tief in die Stirn gezogenen Kapuzen wieder auf den Weg. Orm übernimmt mit seinen guten Augen und dem sicheren Tritt vorsichtig, aber sicher die Führung, während Lumix sich ans Ende der Gruppe begibt.

Nur schemenhaft könnt ihr die Gestalten eurer Gefährten in den umherwirbelnden Flocken erkennen, während sich klirrende Kälte mit spitzen Fingern in jede Lücke eurer dicken Kleidung bohrt. Das Weiß legt sich dick auf eure Schultern und eure Rucksäcke. Es wächst an euren Knöcheln und Beinen entlang, als würdet ihr langsam in einem eisigen Sumpf versinken.  Die Schritte werden schwerer und schwerer, ihr wagt es kaum noch zu sprechen, weil euch sofort kaltes Nass in die Münder weht.

Bereits nach kurzer Zeit teilt sich der Weg und als der Schneesturm einen Moment lang nachlässt, stellt ihr fest, dass der Pfad zu eurer Rechten steil abfällt. Lumix sieht den Abgrund leider einen Moment zu spät. Einen Herzschlag wird wild mit den Armen gerudert, dann stürzt er herab. Mit Ruck hängt er in der Luft und wird unsanft gegen den Felsen geschlagen, als seine Kameraden und Kameradinnen, die ihn gerade noch am Seil halten konnten, wieder auf den Weg ziehen. Schwer Atmend klammert sich Hedwig einen Moment lang an der Felswand zu eurer Linken fest und traut sich nicht, auch nur einen Schritt weiter zu gehen. Lumix redet ihr gut zu, während Raylania zu Orm blickt, um ihn zum Anhalten zu bewegen. Da entdeckt sie im Schneetreiben hinter dem Mann eine Bewegung. “Orm, pass auf!” ruft sie noch. Aber die Warnung kommt zu spät. Eine fürchterliche Pranke taucht unvermittelt aus dem Schnee auf und trifft Orm an der Wange, die ihm das halbe Gesicht aufreißt und ihn über den Abgrund taumeln lässt. Schockiert betrachtet ihr das Geschehen als von dem plötzlichen Ruck auch Raylania von den Beinen geholt wird und über den Abgrund stürzt. Hedwig ist als nächstes an der Reihe, kann sich aber gerade noch mit aller Kraft dagegen wehren, ebenfalls das Gleichgewicht zu verlieren. Kaum wollt ihr euch anschicken, eure Gefährten wieder nach oben zu ziehen, als sich das Wesen vor euch unsanft wieder in euer Bewusstsein drängt. Ein gewaltiger, silbergrauer Bär schält sich langsam aus den umherschwirrenden Flocken und versperrt euch den Weg. Als er sich auf seinen Hinterbeinen aufrichtet, überragt er selbst Lumix um einen guten Schritt. Seine unnatürlichen, eisblauen Augen erinnern euch an die des Magiers auf dem Dorffest. “Hier wird euer Weg enden,” hört ihr eine tiefe Stimme in euren Köpfen widerhallen, sie scheint aber nicht vom Bären zu kommen. Stattdessen vernehmt ihr die Stimme des Magiers in euren Köpfen, aber viel wilder und lauter als im kurzen Gespräch im Dorf. Mit einer viel zu raschen Bewegung lässt er eine Klaue auf Khay niederfahren, die sich allerdings gerade noch fassen und im richtigen Moment ducken kann, wobei sie einige Finger mehr auf den Abgrund zu rutscht, bevor sie sich wieder fasst. Lumix hat währenddessen seinen Stab erhoben und mehrere Brocken Schnee stürzen von oben auf den Bären, der die Treffer jedoch nur abschüttelt. Sein Blick fällt auf Hedwig, die noch immer dagegen ankämpft, nicht auch noch über die Kante zu stürzen.

Khay zieht ihre Dolche, zertrennt das Seil, um mehr Freiheit zu haben und drängt sich zum Bären vor. Gerade im richtigen Moment schlägt sie die Klingen in die Seite des Monsters, als es nach Hedwig schlagen will. Doch auch dieser Treffer scheint den Bären nur kurzfristig abzulenken. Geifernd schnappt er mit seinem Maul nach Khay, die dieses mal etwas zu langsam reagiert. Die Kiefer schließen sich um ihren linken Oberarm. Die Rüstung knirscht unter der Gewaltigen Kraft  und sie schreit vor Schmerzen auf, als der Arm unvermittelt wieder freigegeben wird, nachdem Lumix mehrere spitze Eissplitter abreißt und auf den Bären schleudert. Hedwig hat mittlerweile einen festen Stand gefunden, wobei sie mehr unbewusst als gewollt ihre innere Magie zur Hilfe nimmt und der Zug am Seil ist etwas leichter geworden. Sie zieht ihr Schwert, hat jedoch keine Zeit mehr, ihren Schild vom Rücken zu schnallen und kann ebenfalls einen Treffer gegen den Bären anbringen, der sich gerade noch in ihrer Reichweite befindet. Nach einem weiteren Treffer von Khay richtet sich der Bär wieder auf und schleudert euch mit einem markerschütternden Brüllen blutigen Geifer entgegen, der sofort auf euren Gesichtern gefriert.

In diesem Moment lässt der Druck auf Hedwig nach und Raylania klettert hinter dem Bären wieder auf den Pfad. Ein kurzer Blick in ihre Augen genügt, um einen spontanen Plan zu fassen. Mit aller Kraft zerrt ihr am Seil und ein plötzlicher Windstoß von Lumix reicht aus, damit der Bär über das Seil in den Abgrund stolpert. Erschöpft lasst ihr euch trotz der Kälte auf den Boden sinken und betrachtet einen Moment das durchtrennte Seil, dass von Raylanias Hüfte baumelnd das Schicksal  eures stummen Gefährten zeugt. “Er hat es selbst durchtrennt,” sagt Raylania mit leiser, gebrochener Stimme. “Ich konnte ihn nur undeutlich sehen, aber er hing am Seil und bewegte sich nur schwach. Sein Kopf war blutverschmiert. Ich konnte keinen Halt am Fels finden und … und dann zog er sein Messer und …” Ihre Stimme versagt. Hedwig geht vorsichtig auf den Abgrund zu und versucht, hinunter zu sehen, kann aber aufgrund des Schnees nur wenige Schritt weit schauen. “Wir sollten versuchen, hinunter zu klettern und ihn zu retten!”, entfährt es ihr, doch Raylania schüttelt nur traurig den Kopf. “Er viel einige Sekunden, bevor ich seinen Bogen an einen Felsen scheppern hörte. Es muss sehr weit hinunter gehen. Und in dem Schnee finden wir keinen Halt.” Betreten steht ihr noch einige Minuten beisammen, als der Schnee langsam beginnt, euch zuzudecken. “Wir müssen weiter, wer weiß, was der Magier und noch entgegen schickt,” sagt Lumix schließlich. “Vielleicht können wir auf dem Rückweg nach seiner Leiche suchen, um ihn zumindest angemessen zu beerdigen.” Trotz eurer Niedergeschlagenheit seht ihr keinen anderen Weg.

Ihr habt die Stimme auch gehört, oder?” fragt Hedwig noch in die Gruppe. “Ja, so deutlich, als stünde er neben uns. Es sieht so aus als seien wir auf dem richtigen Weg. Wir sollten Weiter.

Wieder aneinandergebunden stapft ihr noch etwa eine Stunde weiter durch das Schneetreiben, als die Luft wieder aufklart und nur noch einzelne Flocken euch umwehen. Der Pfad, auf dem ihr euch befindet, bleibt schmal, der Abgrund Steil. Mehrfach müsst ihr anhalten, damit Lumix mit seinem Stab die Schneedecke prüfen kann, wenn ihr nicht sicher seid, wo genau der Weg weitergeht. Dennoch bleibt ihr von weiteren Überraschungen verschont und seht schließlich unter euch ein breiteres Tal, das von den Gipfeln der umliegenden Berge eingerahmt wird. Auch ohne noch einmal die Karte zu konsultieren, erkennt ihr an den markanten Spitzen, dass sich hier die Mine befinden muss. Tatsächlich könnt ihr in etwa einer Meile Entfernung eine Öffnung in einer der Felswände erkennen, an der ihr jedoch Bewegungen wahrnehmen könnt. Vor dem grauen und weißen Hintergrund auch aus der Ferne gut zu erkennen, stehen dort zwei menschliche Gestalten in braunen Roben. Der Pfad auf dem ihr euch Bewegt, schlängelt sich zwischen Felsen hinab, so dass ihr die meiste Zeit vor dem Blick der Wachen geschützt sein solltet.

Raylania hebt die Hand und zeige noch in eine andere Richtung. Ebenfalls etwas unter euch und etwa hundert Schritt entfernt stapfen sechs, ebenfalls in Kutten gehüllte Gestalten durch den Schnee auf den Eingang der Mine zu. Unter den Kutten scheinen sie dicke Kleidung zu tragen und die Kapuzen haben sie sich aus Schutz vor der Kälte über den Kopf gezogen, so dass ihr keine Details ausmachen könnt. Allerdings sind zwei der Gestalten deutlich kleiner als die anderen, es scheint sich um Zwerge oder Gnome zu handeln. 

Ein großes Netz, aus denen die Pfoten eines Hundes oder Wolfes schauen, wird von der Gruppe durch den Schnee geschleift. “Sie sollten gerade vom Eingang aus nicht zu sehen sein,” flüstert Raylania. Wenn wir sie überraschen, könnten wir uns verkleiden.

 

Kapitel 6 

Ihr wisst nicht, ob sich unter den Kutten vielleicht fähige Kämpfer befinden und so scheint es euch keine schlechte Idee zu sein, einen Kampf zu vermeiden und über einen der Belüftungsschächte einzudringen, auf die der Zwerg hingewiesen hatte. Ihr versucht, die Position der Eingänge auf der Karte mit eurer Umgebung abzugleichen und entdeckt am Bergrücken tatsächlich einen kleinen Vorsprung, hinter dem sich ein solcher Eingang befinden könnte. Die erforderliche Kletterei erscheint euch zwar nicht gerade ungefährlich, aber im Vergleich zu einem Kampf gegen unbekannte Gegner doch leichter zu kontrollieren. Außerdem habt ihr in der Stadt für diesen Fall vorgesorgt und so macht ihr euch mit Steigeisen und Hämmern daran, die entsprechende Wand zu erklimmen. Zu eurem Glück befindet sich der Aufstieg an einer Seite des Berges, auf der ihr vor den Blicken der Wachen am Eingang der Mine sicher seid. Der Wind und das letzte Schneetreiben machen eure Deckung hier perfekt.

Rayla Schultert ihren Bogen und klettert voran. Als Hedwig ihr die Steigeisen hinhält, lächelt sie nur belustigt und lehnt ab. Geschickt  und schnell wie eine Bergziege zieht sie sich an jedem noch so kleinen Felsvorsprung empor und ist nach wenigen Minuten oben angekommen. Dort befestigt sie das Sicherungsseil und die anderen beginnen den Aufstieg. Hedwigs schwere Ausrüstung behindert sie etwas beim klettern, sie kommt aber trotzdem gut voran. Die Zwergin hat überhaupt keine Probleme, doch dann ist der große Taure dran. Immer wieder rutscht Lumix mit seinen Hufen ab und kann sich nur mittels seiner immensen Kraft an die Felsen klammern. Erst als er sich das Seil um die Hüfte schwingt und von Hedwig hochgezogen wird steht ihr alle sicher auf einem kleinem Vorsprung, der künstlich an einer ohnehin bereits abgeflachten Stelle angelegt wurde. Vor euch klafft, unter einem kleinen Unterhang, eine rechteckige Öffnung im Fels des Berges, die reichlich steil nach unten führt. Ein Gitter verschließt die Öffnung, das jedoch trotz guter zwergischer Schmiedekunst derart angerostet ist, dass ihr es mit Leichtigkeit aus dem Stein brechen könnt. Der Schacht ist so groß, dass ihr euch ducken müsst, um ihn vorsichtig hinabzusteigen. 

Lumix schaut zweifelnd, versucht, seine breiten Schultern so schmal wie möglich zu machen, bleibt aber dennoch bereits im Eingang stecken. “Haben wir etwas Schmierfett dabei?”, fragt Khay scherzhaft, erntet aber nur ein wütendes Knurren des Tauren. Ihr schiebt ihn wieder aus der Öffnung und überlegt.

Was ist denn mit den Schriftrollen, die du dabei hast?”, fragt Raylania. “Ist da vielleicht irgendetwas dabei, was man hier nutzen könnte?” Lumix kramt in seinem Beutel und seufzt tief. “Ja. Aber ich bin nicht froh darüber. Die waren wirklich sehr teuer,” gibt er zurück und blickt über den Abgrund, den ihr zuvor erklettert habt. “Aber bevor ich wieder dort herunter klettern muss, würde ich mein linkes Horn verkaufen.” Eine Schriftrolle wandert in seine Hand, er zieht sie auseinander, kneift die Augen zusammen und beginnt in leisem Singsang zu reden. Sie löst sich in seinen Händen zu feinem Staub auf und der Körper des Tauren beginnt sich zu verändern. In dem Prozess, der auf euch äußerst schmerzhaft wirkt, wovon sich Lumix allerdings nichts anmerken lässt, verformen sich seine Knochen, die Hörner weichen in den Schädel zurück und die Haut zieht sich zusammen. Ihr habt die vage Vermutung, dass es sich um eine Verwandlung in Hundegestalt handeln sollte. Allerdings scheint der Magier, der diese Schriftrolle angefertigt hatte, viel Sinn für Humor gehabt zu haben, denn anstelle des massiven Tauren streckt euch nun ein außerordentlich kurzbeiniger, fuchsroter kleiner Hund mit spitzen Ohren die Zunge entgegen. Raylanias kleiner Gefährte klettert auf seine Schultern und streckt das kleine Schwert voran.

Ihr anderen unterdrückt ein Kichern nur mit Mühe, nehmt die Sachen des Druiden und macht euch vorsichtig an den Abstieg. Auch für die Menschen wird es immer wieder eng in dem Schacht und ihr kommt deutlich ins Schwitzen, steht aber schließlich unbeschadet in einem dunklen Minengang. Kaum habt ihr Licht entzündet, als sich Lumix wieder zurück verwandelt. “Das war … anders,” ist sein einziger Kommentar, als ihr euch vorsichtig in das Innere des Berges vorwagt.

 

Tiefer und tiefer dringt ihr in die verlassene Mine vor, außerordentlich vorsichtig und an jeder Abzweigung nach Stimmen lauschend. Der Weg führt sanft hinab, vorbei an vor langer Zeit zurückgelassenen Loren, die auf rostigen Schienen vor sich hin gammeln. Eure Fackeln erhellen nur die wenigen Schritt um euch herum. Die Gänge sind zwar in der Regel mehrere Schritt breit und auch überraschend hoch - allerdings aus der Sicht der Zwerge, die diese Mine anlegten. Während ihr anderen aufrecht gehen könnt, muss sich der Taure deutlich kleiner machen. Damit ihr euch in den immer wieder abzweigenden und insgesamt sehr ähnlichen Gängen nicht verlauft, ritzt Hedwig möglichst unauffällig einen kleines “X” auf Hüfthöhe an die Ecke jeder Abzweigung. Lumix grummelt unzufrieden vor sich hin. Raylania wendet sich fragend Khay zu: “Kannst du nicht irgendwie helfen? Du musst doch wissen, wie so eine Mine aufgebaut ist.” Die angesprochene bleibt stehen und stemmt sich die Hände in die Hüften. Mit einem gespielt überraschten Tonfall antwortet sie: “Ach, natürlich! Warum ist mir das nicht selbst eingefallen!” Sie beugt sich zur Felswand und tut so, als würde sie daran lecken. “Hm, jaaa … mhm … Spuren von Kupfer ... das hier ist der Hauptstollen, das heißt, wir müssen da lang.” Sie schweigt einen Moment. “Ich glaube, du verwechselst Zwerge mit Ameisen, meine Liebe. Selbst, wenn ich jemals in einer Mine gewesen sein sollte - ich bezweifle, dass die alle gleich aufgebaut sind!

Schon bald verliert ihr jedes Zeitgefühl und scheint schon seit Stunden in der Mine herumzuirren und dabei immer wieder im Kreis zu laufen. Als ihr wieder an einer neuen Abzweigung steht, bemerkt Lumix , dass bei einem der drei möglichen Gänge die Fackeln ein winziges bisschen mehr zu flackern scheinen. “Ich glaube, wir sollten diesen hier versuchen,” brummt er leise. “Es scheint hier einen Luftzug zu geben.” Ihr folgt dem Vorschlag und tatsächlich bemerkt ihr nach einigen dutzend Schritten einen weiteren Gang zu eurer Linken, der sich von den vorigen unterscheidet. Zunächst könnt ihr nicht sagen, was so besonders ist, doch dann fällt euch auf, dass es wirkt, als sei der Fels einfach auseinander gerissen worden. An den Rändern der grob dreieckigen Öffnung ist das Gestein faltig ineinandergeschoben - ganz so, als würde man einen zweigeteilten Vorhang auseinander ziehen.

Neugierig steckt ihr eine Fackel hindurch und seht, dass die Öffnung in einen weiteren Gang führt, der allerdings parallel zu dem verläuft, in dem ihr euch jetzt befindet. Er scheint ebenfalls nicht behauen zu sein, sondern wirkt wie ein Teil eines natürlichen Höhlensystems. Zudem ist der neue Gang nicht nur höher als die bisherigen, er führt auch weiter nach Oben, nicht nur immer tiefer hinab, wie im restlichen Teil der Mine. “Wenn ich ein böser Magier wäre … ,” beginnt Khay in einem nachdenklichen Tonfall. “...würde ich meine Füße an einem Feuer wärmen und den ganzen Tag schlafen,” fährt Raylania fort. “Aber das hier muss irgendetwas zu bedeuten haben. Vielleicht folgen wir dem Weg zur Abwechslung einmal nach oben?” - “Ein guter Vorschlag,” ergänzt Lumix, dessen Hörner Gefahr laufen, sich an der Decke abzuscheuern.

Also betretet ihr den Höhlengang und folgt dem zunehmend steiler werdenden Weg lange Zeit nach oben. Immer wieder scheint die natürliche Höhle künstlich verbreitert worden zu sein, allerdings liegt kein frischer Abraum in dem Gang und die Wände wirken nicht merklich jünger als die natürlichen. Es gibt ein wenig Bewuchs von Moos und Flechten, an der Decke, die ursprünglich geglättet gewesen zu sein scheint, hängen kleine Stalaktiten über euren Köpfen. Nach einigen hundert Schritt öffnet sich der Gang und euch bietet sich ein Anblick, der euch einen Moment lang den Atem raubt. Vor euch tut sich ein gewaltiges Gewölbe auf, die von mehreren Lichtstrahlen erhellt wird, die irgendwie den langen Weg durch den Fels gefunden haben. Zahlreiche natürliche Felssäulen halten die Decke der Höhle, der Boden ist übersät von zahlreichen Teichen, zwischen denen schmale Wege entlang führen. Das Wasser erstrahlt im einfallenden Licht türkisfarben. Auf einer breiten Säule vor euch entdeckt ihr noch etwas, das euch neugierig näher lockt.

Eine große Tafel ist dort in den Stein gearbeitet, in denen euch vollkommen fremde Schriftzeichen einen unleserlichen Text bilden. Ihr versucht eine Weile vergeblich, in zu entziffern. Die Patina auf dem Text zeugt aber davon, dass er bereits vor sehr langer Zeit angelegt worden sein muss.

Khay hatte sich währenddessen etwas von der Gruppe entfernt und kommt wenige Minuten später zurück. “Seht mal, was ich an einem der Teiche gefunden habe,” sagt sie und hält euch einen tadellosen, recht neuen Eimer entgegen. Einen Moment wisst ihr nicht, worauf sie hinaus will, doch dann dämmert es euch: “Diese Höhlen sind weiterhin bewohnt,” sagt Raylania. “Wir scheinen weiterhin auf dem richtigen Weg zu sein.

Euer Ziel wieder vor Augen, schiebt ihr das Rätsel um den Text erst einmal beiseite und folgt dem Pfad durch die Gewölbe. Dabei stoßt ihr auf weitere Anzeichen, dass es hier Bewohner geben muss, so liegt beispielsweise ein Netz neben einem Teich, aus dem sich euch die Köpfe bleicher, Karpfengroßer Fische entgegen strecken, die vom Licht oder der Wärme eurer Fackeln angezogen wurden.

Am anderen Ende der Höhle gehen wieder mehrere Tunnel ab, von denen ihr euch zunächst für den Linken entscheidet. Dieser führt in ein künstlich angelegtes System mehrer, mit Fackeln erleuchteter Gänge und mit hölzernen Türen versperrter Räume, die als Wohnstatt zu dienen scheinen. Nach und nach erkundet ihr den verwinkelten Unterschlupf, wobei ihr versucht, so leise wie möglich zu sein und vor jeder Biegung und Tür ausgiebig zu lauschen.  Ihr findet einen geräumigen Speisesaal mit mehreren großen Tischen, einige kleinere, schlicht eingerichtete Kammern mit nur einem Bett, sowie zwei größere Schlafsäle mit mehreren Betten. Insgesamt schätzt ihr, dass sich hier wohl mindestens zwanzig Personen aufhalten. Glücklicherweise ist die einzige, auf die ihr trefft, ein Mann der sich gerade den Gürtel zu bindet, als er aus einem Raum tritt, der dem Geruch nach als Latrine dient und den ihr leicht überwältigen könnt. Die einzige Tür, die euch verschlossen bleibt, ist mit sonderbaren Symbolen versehen. Sie weist kein sichtbares Schloss oder Riegel auf, widersteht aber all euren Öffnungsversuchen.

Ihr wendet eure Schritte zurück zur großen Höhle und verfolgt einen weiteren Gang. Es gibt wieder mehrere Abzweigungen, die ihr nach dem gleichen System wie in der Mine untersucht. Schließlich seht ihr vor euch erneut einen natürlichen Lichtschein und hört leise Stimmen. Hastig löscht ihr eure Fackeln und schleicht voran. Durch einen breiten Spalt in der Wand blickt ihr hinunter auf eine große, grob ovale Höhle, die sich an einem schmalen Ende durch den Berg zu einem natürlichen Plateau öffnet. Der Boden der Höhle ist mit in den Fels gehauenen oder geritzten Symbolen verziert, die aber so alt und abgetreten zu sein scheinen, dass sie sich nur schwach vom Stein abheben.

In einem großen Kreis in der Mitte steht der Magier, unverkennbar in seiner blauen Robe. Er ist umgeben von seinen Anhängern, die sich an den Händen halten und mit gesenkten Köpfen vor sich hin murmeln. Neben dem Magier liegen ein Wolf und eine nackte Frau, die zu schlafen scheinen, wie ihr an den sich schwach hebenden Brustkörben erkennen könnt. Das Murmeln der Gruppe schwillt an, wird zu einem Singsang, der schließlich durch die ganze Höhle dröhnt, wobei der Magier den verzierten Hammer, der euch bereits im Dorf aufgefallen ist, über seinem Kopf kreisen lässt. Ein Vibrieren geht durch die Höhle, das Licht scheint sich zu verändern. Die Farben werden intensiver, die Kontraste schärfer. Nun könnt ihr die Zeichen und Symbole deutlich erkennen. Die Linien scheinen geradezu aufzuleuchten, ihr erkennt auch einige der Schriftzeichen von der Tafel aus der großen Höhle wieder. Frau und Wolf zersetzen sich langsam. Zuerst fliegt die Haut in kleinen Flocken davon, dann die Muskeln, Eingeweide und Knochen. Wie in einem winzigen Wirbelsturm gefangen, umkreisen die Partikel den Magier, vermischen sich und formen sich dann wieder zu der Gestalt der Frau. Der Wolf bleibt verschwunden.

Der Singsang verebbt und die Farben nehmen wieder ihre alltägliche Gestalt an. Auf ein unverständliches Kommando des Magiers hin wird die noch immer bewusstlose Frau von einigen Gestalten aufgehoben und davon getragen, der Rest der Kuttenträger folgt ihr in zwei Reihen. Nur der Magier bleibt zurück, und geht langsam auf die Öffnung im Berg zu. Raylania legt einen Pfeil auf und zielt auf seinen Rücken.

Das würde ich an eurer Stelle lassen,” sagt der Druide in beiläufigem Tonfall über seine Schulter, wobei ihr seine Stimme so deutlich hören könnt, als stünde er neben euch. “Kommt lieber herunter und lasst uns reden. Dann muss heute vielleicht niemand sterben.”

Da er mittlerweile ohnehin aus der Schusslinie getreten ist und eure derzeitige Stellung nur allzu leicht zu einer Falle werden kann, seht ihr keine andere Möglichkeit als darauf einzugehen. Eine unscheinbare, schmale Treppe führt hinunter und kurze Zeit später steht ihr auf dem Boden der Höhle. Sonderbarerweise scheinen euch die Symbole Kraft zu geben. Nein, vielmehr verstärken sie die Magie, die bereits in euch ruht. Und auch die wenigen Erinnerungsfetzen, die ihr habt, scheinen klarer zu werden. Der Magier hat sich mittlerweile zu euch umgedreht. Er steht mehrere Dutzend Schritt von euch entfernt auf dem Plateau, doch noch immer könnt ihr ihn klar verstehen.

Lasst mich raten: ihr seid auf einmal irgendwo aufgewacht, tragt diese Zeichen und könnt euch an so gut wie nichts erinnern. Woher ich das weiß - ganz einfach, mir erging es genauso!” Er macht eine theatralische Verbeugung und zieht dabei seine Kappe vom Kopf. Trotz der Entfernung könnt ihr deutlich das Symbol, das auch auf euren Stirnen liegt, auf der Glatze des Magiers erkennen. “Ich erwachte an einer Küste und irrte allein und verloren umher. Schon bald aber bemerkte ich, dass irgendeine Form der Magie in mit ruhen muss, denn Hitze und Kälte, Hunger und Durst machten mir wenig aus. Zu meinem Glück stieß ich an einem abgelegenen Ort auf eine uralte Ruine, in deren dunklen Hallen ich dieses Artefakt fand,” er zieht den fein verzierten Hammer aus seinem Gürtel und dreht ihn langsam hin und her. ”Mit seiner Hilfe gelang es mir, meine Magie nicht nur zu beherrschen, sondern auch noch zu steigern. Ich konnte sogar meine Erinnerung zurückholen!” 

Aber warum habt ihr eure Macht derart genutzt?”, fragt Lumix den Magier. “Warum erschafft ihr Monster? Seid ihr für das verantwortlich, was um Skjarige passiert?

Ein bitteres Lachen ist alles, was ihr zuerst auf diese Frage erwidert bekommt. Dann fährt der Magier fort: “Wisst ihr überhaupt, warum es euch derart ergangen ist? Natürlich nicht. Ihr kommt aus einem entfernten Land, das die meisten hiesigen Bewohner nur von Hörensagen kennen. Wer auch immer ihr in eurem alten Leben wart, euch verbindet der Zugang zur Magie. Bei einigen stärker,” er sieht auf Lumix und Hedwig, “bei anderen nur im Ansatz.” Hierbei sieht er Raylania und Khay an, die von dieser Eröffnung mehr als überrascht sind. “Aber die Bewohner des Landes begannen, jede Form der Magie zu fürchten. Priester löschten euer Gedächtnis und wie Vieh wurdet ihr auf ein Schiff getrieben, dass euch auf eine entfernte Insel bringen sollte. Und die Barbaren, die uns aus unserem Leben, unseren Familien rissen, die uns unsere Kraft vorenthalten wollten, sie fühlten sich auch noch gut und gerecht dabei, weil sie uns nicht einfach einen Dolch ins Herz rammten!” Der Magier redet sich immer mehr in Rage, Speichel fliegt bei jedem seiner Worte aus dem Mund und sein kahler Schädel ist rot angelaufen. Mit einer kleinen Pause beruhigt er sich wieder ein wenig. “Nichts, absolut nichts schuldet ihr eurer Umwelt, die euch für etwas, das nicht eure Schuld, ja vielmehr ein Geschenk ist, derart behandelt. Das begriff ich rasch. Und in dieser Gegend zu landen war noch ein weiteres Geschenk. Hier gibt es nur wenige, die wirklich die Magie beherrschen. Aber meine Kunst ist nicht die eines Heilers, dem die Menschen gerne ihr Geld überlassen. Also brauchte ich eine andere Möglichkeit, um zu Einfluss und Einkommen zu gelangen. Es stellt sich heraus, dass Dörfer und Städte außerordentlich dankbar sind, wie ihr gesehen habt, wenn man sie vor Monstern und wilden Tieren beschützt,” seine Stimme nimmt einen Ton falschen Mitleids an, “die, oh plötzliches Unglück, über ihre Bewohner herfallen. Nachdem ich einige Schriften entziffern konnte, die in die Wänder der Kammer gehauen waren, in der ich den Hammer fand, erfuhr ich von diesem Ort der Macht, neben der die ignoranten Zwerge ihre Mine in den Berg trieben. Ihre Bewohner, von denen sogar ich nur wenig weiß, sind schon lange ausgestorben. Aber allein diese Halle zeugt davon, dass sie große Magier waren.

Als ich euch das erste Mal sah, dachte ich, ihr wäret hinter mir her, wolltet mich entlarven oder mit diesen Ort stehlen! Zu spät begriff ich, dass es euch auch so ergehen kann wie mir am Anfang.” Er sieht euch nacheinander eindringlich an. “Ich habe doch recht, oder nicht? Schließt euch mir an. Ich kann euch helfen, eure Erinnerung und eure Kräfte wiederzuerlangen, wenn ihr mir treue schwört. Zusammen könnten wir die Magie dieses Ortes wieder zur wahren Größe verhelfen und mehr Macht anhäufen, als ihr es euch vorstellen könnt.

Wir können dich nicht einfach damit davonkommen lassen!”, ruft Raylania dem Magier wütend zu, damit er sie auch sicher versteht. „Ganz genau, zu viele Leute mussten bereits unter deinen Taten leiden,“ fügt Hedwig hinzu. „Und das ist unser Gedächtnis nicht wehrt. Wir finden einen anderen Weg,“ ergänzt Lumix noch. Khay sagt nichts, ein Schimmer des Zweifels scheint sich gar auf ihrem Gesicht abzuzeichnen. Dann aber zieht sie ihre Dolche und funkelt Tidopror böse an.

Dieser seufzt nur leicht und gibt mit süffisanter Stimme zurück: „Wie schade. Ich hatte auf ein wenig mehr Verständnis gehofft. Wer ihr wohl in euren früheren Leben wart, dass ihr euch nun so freiwillig für andere opfern wollt ... Nur eines sei euch noch gesagt, bevor ihr ster …“ Der Magier bricht ab, als einer der Dolche Khays auf ihn zufliegt, den er aber mit einem raschen Hieb seines Hammers direkt vor seinem Gesicht aus der Luft fegt. „Du redest zu viel,“ sagt sie, als sie auf ihn zu rennt und auch ihr eure Waffen in Anschlag bringt.

Hedwig läuft mit gehobenem Schild auf den Magier zu während Raylania einen Schritt zur Seite macht, um ein freies Schussfeld für den Pfeil zu haben, der bereits auf der Sehne ihres Bogens liegt. Lumix erhebt seinen Stab mit beiden Händen über den Kopf, um einen mächtigen Zauber vorzubereiten. Khay, die den Magier zuerst erreicht, lässt sofort einen wilden Hagel aus Stichen auf ihn niedergehen. Dieser pariert die ersten mit seinem Hammer, der scheinbar gewichtslos in seinen Händen liegt. Er weicht dabei einige Schritte zurück, macht dann einen raschen Ausfallschritt und lässt seine Waffe derart hart in die Seite der Zwergin fahren, dass diese durch die Luft gewirbelt wird und einige Schritte entfernt benommen liegen bleibt.

Der Angriff hat aber als Ablenkung ausgereicht, um Raylanias abgeschossenen Pfeil sicher ins Ziel zu bringen. Er dringt in die rechte Schulter des Magiers, der grunzend einige Schritte zurück macht und den Hammer in die andere Hand nimmt. Gerade noch rechtzeitig, um Hedwigs Angriffe zu parieren, was ihm allerdings mit dieser Hand etwas mehr Mühe bereitet, weshalb er immer weiter zurückweicht. Mittlerweile steht er mitten auf dem Plateau, das aus dem Berg hervorsteht. Lumix lässt deinen Stab auf den Boden krachen und ein Rumpeln erfüllt die Höhle. Hedwig bringt noch einen besonders kräftigen Hieb von oben an, den der Magier nur mit Mühe parieren kann, wobei er in die Knie gehen muss. Dann wirft sie sich nach hinten, als weiße Schneemassen von oben herabstürzen und das Plateau unter sich begraben.

Noch immer mit gezogenen Waffen steht ihr um die beinahe gänzlich versperrte Öffnung in der Seite des Berges und blickt auf die Schneewand vor euch. Auch Khay hat sich mittlerweile wieder aufgerappelt und ihre Dolche eingesammelt. „Das war irgendwie einfach,“ japst sie noch etwas außer Atem und hält sich die Seite. Ein leises Plätschern ist zu hören und um eure Füße spürt ihr ein stetig wachsendes Rinnsal an Wasser. „Musstest du so etwas sagen?“, seufzt Lumix und packt seinen Stab wieder fester. Der Schnee fliegt in alle Richtungen auseinander und ihr könnt euch im weißen Wirbel nur eben so auf den Beinen halten, als ihr schützend die Hände vor eure Gesichter reißt.

Noch mitten auf dem Plateau steht der Magier, seinen Hammer erhoben, in einem Krater aus Schnee und Eis. Seine Augen haben ein violettes Leuchten angenommen und um seine gesamte Gestalt hat sich eine rote Aura gelegt, die wie ein Feuer leicht zu flackern scheint. Auf dem Boden ziehen sich vielfarbige Linien aus den geritzten Symbolen zur Gestalt eures Widersachers. Raylania schießt noch einen Pfeil ab, der allerdings, kurz bevor er das Gesicht des Magiers trifft, zu Asche verbrennt. Ein Blitz stößt aus dessen hervorgestreckter Hand auf Hedwig, die gerade noch den Schild hoch reißt, der bläulich zu leuchten Beginnt und die Kraft des Blitzes ableitet. Lumix überlegt einen Moment und ruft dann „Lenkt ihn ab!“, während er seinen Stab langsam hin und her schwingt. Raylania legt einen neuen Pfeil auf und versucht diesmal, etwas aus der Kraft, die vom Boden aus auf den Magier zu fließt, abzuschöpfen und in den Pfeil zu legen. Tatsächlich verbrennt der Pfeil diesmal nicht ganz, ein langer Splitter dringt unter den Rippen in den Körper des Magiers ein. Er brüllt und geht mit unheimlicher Geschwindigkeit auf Hedwig los. Wieder und wieder stößt der Hammer auf den Schild nieder, der trotz magischer Aufladung schon bald arg verbeult und zersplittert ist. Khay greift ein und lenkt den Magier mit neuen Angriffen ab, so dass Hedwig den nutzlos gewordenen Schild beiseite werfen und den geschundenen Arm schonen kann. Auch sie greift den Magier an, der aber die Angriffe seiner beiden Gegnerinnen pariert.

Tidopror schlägt das Schwert mit dem Hammer beiseite, während er die andere Hand in Richtung Khays hebt und wieder Blitze hervorschießen lässt. Die Zwergin wird mit voller Wucht in die Brust getroffen und über den Rand des Plateaus geschleudert. Langsam verhallen ihre Schreie, als sie den Berg herunter stürzt. Gerade als sich der Magier wieder voll Hedwig zuwendet, endet Lumix mit seinen Beschwörungen und lässt den Stab über den Boden fahren. Sofort zeigen sich im ganzen Boden Risse, die sich wie über dem einbrechenden Eis ausweiten. Nach wenigen Herzschlägen ist die Höhle von einer Schicht Geröll überzogen, alle Zeichen, die vormals den Boden bedeckten, sind verschwunden. Und so schwindet auch die Kraft aus dem Magier, dessen leuchtende Aura nachlässt und dessen Augen wieder ihre natürliche Farbe annehmen. Noch einen Pfeil Raylanias kann er mit dem Hammer parieren, was jedoch Hedwig nutzt, um ihm das Schwert bis zum Heft in die Brust zu stoßen. Sie stemmt einen Fuß gegen den ungläubig dreinblickenden Magier, um das Schwert wieder heraus zu ziehen und euer Gegner taumelt einige Schritte zurück. Er sieht euch an und will noch etwas sagen, als ein letzter Pfeil mitten in seine Stirn fährt und ihn nach hinten, über den Rand des Plateaus, in die Tiefe fallen lässt.

Vorsichtig schaut ihr über den Rand, aber der Boden unter euch ist zu weit entfernt, als dass ihr im tiefen Schnee den Magier oder die Zwergin ausmachen könntet. Ihr verschnauft kurz, immer bereit, Angriffe der Gefolgsleute des Magiers abzuwehren. Als ihr euch schließlich aber auf den Rückweg macht, findet ihr die Gemächer und Gänge verlassen vor. Ihr versucht noch einige Stunden lang, einen Weg um den Berg herum zu finden, um nach eurer gefallenen Gefährtin zu suchen, müsst aber enttäuscht aufgeben, als der Schneesturm wieder einsetzt und euch in Gefahr bringt.

Die Zwerge in Cumnor versprechen, sich der Sache anzunehmen, wenn sie die Mine und die verborgene, vergessene Wohnstatt untersuchen. Von den Bürgern Skjariges werdet ihr noch einmal reich belohnt und so könnt ihr euch aufmachen, von nun an euer eigenes Schicksal zu finden oder nach eurem alten zu forschen. Wenn der Magier einen Weg fand, seine Erinnerungen wiederzuerlangen, dann könnte euch das ebenfalls gelingen - So ihr dies denn wollt.

 

ENDE

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